Hinspüren! So entsteht eine Verbindung zum Pferd

Die Verbindung zum Pferd schaffen

Simone und Promise bei der gymnastizierenden Arbeit. Foto: Judith Lutz

Eine Verbindung zum Pferd aufbauen, eine Beziehung, die keine Einbahnstraße ist, eine Partnerschaft, die von beiden Seiten, von Pferd und Mensch, getragen wird: Wer sich einmal auf den Weg dorthin gemacht hat, der geht diesen immer weiter, da es immer ein „Besser“ geben wird.

Ich habe mit Paledo versucht, diese Beziehung vor allem durch Kommunikation, die das Pferd versteht, auf ein solides Fundament zu stellen, durch klares und faires Horsemanship. Als Kopfmensch fällt es mir leicht, mir Methoden und Techniken anzueignen und die passenden auszuwählen. Wir waren ein gutes Team, doch die wirkliche Nähe und Verbundenheit hat sich für mich gefühlt erst dann eingestellt, als ich in Paledos letzten Wochen und Tagen aktiv nichts mehr von ihm wollte, sondern ihn einfach nur noch begleitet habe und für ihn da war. Wäre er ein Mensch gewesen, hätte ich seine Hand gehalten.

Kommunikation ohne Gefühl ist nicht genug

Klare Kommunikation ist die Basis, aber ohne Gefühl ist sie nicht genug. Damit meine ich nicht das mechanische Gefühl, das ich über das Seil oder das Halfter oder den Zügel vermitteln kann und das allein auch eine große Rolle spielt. Vielmehr geht es um das Hinspüren zum Pferd, das emotionale und mentale Begleiten des Pferdes, wenn es bei uns ist.

Bill Dorrance‘ Buch „True Horsemanship through Feel“* dreht sich um dieses Feel, dieses Gefühl, das ein Band zwischen zwei Lebewesen knüpft. Zwar beschreibt er in erster Linie dessen direkten Anwendung beim Pferd, wenn ich zum Beispiel Hufe heben möchte oder es dazu veranlassen will, den Kopf zu senken. Aber „Feel“ geht über Technik und das Körperliche heraus. Es kommt aus unserem Inneren.

Genau das hat mir auch ein Besuch bei Simone Carlson anschaulich vor Augen geführt. Ich war zu Gast bei Simones Trainerausbildung im Sinne des Pferdes, um mir ihre Art mit Pferden zu arbeiten anzusehen. Simone hat wie Ross Jacobs viel Zeit mit Horseman Harry Whitney in Arizona verbracht.

Ins Gefühl kommen

Sie ist keine Freundin von exakten Maß- und Zeitangaben oder Methoden und Techniken. Einer der Schlüsselsätze an diesen beiden Tagen lautete „Du musst aus dem Kopf raus und ins Gefühl gekommen.“ Für mich  hört sich das erst mal ziemlich esotherisch an, aber die Auswirkungen auf die Pferde war einfach zu deutlich zu spüren, wenn der Mensch den Kopf losgelassen hat und einfach mal zum Pferd hingespürt hat, als dass man sie ignorieren könnte. Für mich hat dadurch die Dimension des „Feels“ von Bill Dorrance enorm an Bedeutung gewonnen, die ich bis dahin zwar kannte, aber nie wirklich gelebt habe: „Feel“ beinhaltet eben auch, welche Gedanken ich zum Pferd schicke, wo meine Gedanken überhaupt sind und ob ich mit dem Pferd über Gefühl verbunden bin. Dafür zählt auch Empathie, wenn es gerade nicht rund läuft. Also mit dem Pferd mitzufühlen, wenn es Probleme hat, und es mental zu unterstützen, statt es zu strafen oder zu tadeln. Wir können im Körper wie im Geist ausstrahlen, was wir sagen wollen. Wenn wir das Pferd zum Beispiel zu uns einladen, dann sollten wir Freundlichkeit und Offenheit ausstrahlen und nicht Härte und Gleichgültigkeit.

Ziel ist immer, dass sich das Pferd nach der Einheit besser fühlt als davor. Es geht weniger um das, was gelernt oder trainiert wurde, sondern um den Eindruck, den die Einheit beim Pferd hinterlassen hat. Simone fragte ihre Schüler entsprechend häufig, wie sich ihrer Meinung nach das Pferd gerade fühlt und ob sie denn gedanklich bei ihm waren.

Schon beim Annähern ans Pferd oder beim Aufhalftern teilt es uns mit, wie es ihm gerade geht. Eine Stute zögerte etwas, bis sie ihrem Menschen folgen konnte und machte sich beim Aufhalftern fest. Ihr Widerstand war nicht heftig – sie entzog sich nicht, indem sie den Kopf in die Höhe streckte oder rückwärts rannte. Es wäre kein Problem gewesen, ihr das Halfter einfach trotzdem aufzuziehen. Indem ihr Mensch das eben nicht tat, bewies er der Stute, dass er auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt und wartet, bis sie bereit ist. Ihr Gesichtsausdruck wurde weicher, sie entspannte deutlich und akzeptierte damit auch das Aufhalftern ohne negative Gefühle.

Wenn der Mensch das Pferd aber alleine lässt, gedanklich abwesend ist und nicht mehr zum Pferd hinspürt, checkt das Pferd ebenfalls mental aus. Wenn wir das Pferd nicht begleiten und mit ihm verbunden sind, dann spiegelt sich das deutlich in seinem Verhalten.

Die Verbindung zum Pferd schaffen

Im Roundpen. Foto: Judith Lutz

Gedanken lesen lernen – für die Verbindung zum Pferd

Ein wichtiger Aspekt bei dieser Art des Horsemanships sind die Gedanken des Pferdes, denn die Gedanken sind eng mit den Gefühlen verbunden. Ziel ist es tatsächlich, seine Gedanken lesen zu lernen – aber das hat nichts mit Magie oder übersinnlichen Kräften zu tun, sondern vielmehr mit einer guten Beobachtungsgabe. Das Verhalten und der Gesichtsausdruck des Pferdes zeigen uns sehr deutlich, wo seine Gedanken gerade sind und worauf seine Aufmerksamkeit liegt. Ein Beispiel dafür wäre ein Pferd, das am Seil in Außenstellung um uns herum geht – es denkt deutlich von uns und dem Zirkel weg. Subtiler wird es, wenn wir unser Pferd gymnastizierend in leichter Innenstellung führen und wir dabei Weiß im Auge sehen können: ein deutliches Anzeichen dafür, dass das Pferd zwar nach innen gestellt ist, aber dennoch nach außen denkt. Die Blickrichtung des Pferdes gibt uns zuverlässig Auskunft über seine Gedanken.

Natürlich können wir das Pferd mechanisch zu einer Bewegung veranlassen, die es dann auch ausführen wird, wenn es im Kopf ganz woanders ist. Aber darunter leidet der Ausdruck. Ist das Pferd dagegen tatsächlich mit dem Kopf dabei, weil es in die gleiche Richtung denkt wie der Mensch und nicht mechanisch in eine Richtung getrieben wird, entstehen Bewegungsabläufe von einer bemerkenswerten Qualität. Die Pferde laufen geschmeidig, weich in den Gelenken und entspannt in der Oberlinie. Ich denke, das ist das Abbild dessen, was Mark Rashid oder Ross Jacobs als „soft“ bezeichnen würden.

„Weichheit ist eine Form des emotionalen Wohlfühlens, das von einer körperlichen Partnerschaft begleitet wird. Manche Menschen verwechseln Weichheit mit Leichtigkeit, aber diese sind sehr unterschiedlich: Leichtigkeit ist die körperliche Antwort auf Druck, Weichheit dagegen ist die emotionale Antwort auf Druck. Ein Pferd kann leicht sein, ohne weich zu sein. Ein weiches Pferd dagegen ist immer leicht. Ohne Weichheit kann Reiten nicht schön sein.“ (Ross Jacobs)

Ich will mich künftig also nicht nur auf die Ausführung einer Lektion, mein Timing oder meine Release konzentrieren, sondern auf das innere Bild, das ich davon vor Augen habe und auf das Gefühl, das dabei von mir ausgeht.

Die Verbindung zum Pferd schaffen

Hier findest du einen Beitrag von Simone zum Thema Druck

True Horsemanship Through Feel*
Das oben angesprochene Buch von Bill Dorrance. Ein Horsemanship-Standardwerk. Etwas mühsam zu lesen, aber dennoch sehr aufschlussreich.

Hier findest du ein Interview mit Ross und hier die Rezension zu seinem Buch.

Du willst mehr? Weiteren Lesestoff zum Thema Horsemanship findest du hier.

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3 Kommentare

  1. Also für mich ist das einer der besten Beiträge überhaupt, das Thema ist sowas von auf den Kopf getroffen :-), ich denke wir sollten in der Kommunikation viel viel mehr auf unser Gefühl achten als auf techniken und sonstiges. Fühlst du dich wohl mit dem was du tust und fühlt sich dein Pferd wohl dann denke ich ist es gut, vielen lieben Dank für diesen großartigen Beitrag von dir Nadja und leider tut es es oft auch sehr weh ein Lebewesen das einem Nahe steht zu verlieren, aber erst dann lehrt es uns das Gefühle viel viel wichtige sind als wir denken und glauben. Danke nochmals für deine immer tollen Beiträge für die Beziehung Mensch und Pferd …. DANKE !!

  2. Ja und Ja und JAAAA – ich bin ja durch und durch Gefühlsmensch und schalte nur minimal meinen Kof ein (dann wenn ich am Zweifeln bin 😉 und es ist so einfach, doch so schwer – aber gleichzeitig so wahr und richtig zu fühlen statt zu denken – Bilder zu schicken statt Mechanik. Diese Erfahrung mache ich seitdem ich mich ernsthaft mit dem Thema „Pferd und Partnerschaft“ beschäftige. Ein so schöner Artikel! Ich freue mich schon auf mehr in dieser Richtung – Danke dir für die Zeilen und alles Liebe, Petra

  3. Ja, Dankeschön.
    Das ist gerade auch ein Thema bei uns: dem Pferdchen und mir.

    Liebe Grüße!

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