Barhuf? Das sollte man wissen. Ein Interview

Hier hatte ich es ja bereits angekündigt, und heute ist es endlich fertig: Das Interview mit Hufpflegerin Annette von Hippel. Ich finde das Thema Hufe und vor allem „barhuf“ sehr spannend – weil mein Halbwissen aber nicht für einen anständigen Artikel ausreicht, frage ich eben die Expertin.

Los geht’s.

Kann jedes Pferd barhuf gehen?

Prinzipiell ja. Es kommt aber auf die Nutzung an. Wenn mein Pferd acht Stunden lang auf Asphalt vor der Kutsche gehen soll, muss es extrem gutes Horn haben. Pferde, die weiches Horn haben, kann man trainieren, da muss man geduldig sein. Wenn man Rücksicht nimmt, kann jedes Pferd ohne Eisen laufen. Für schwierigere Bedingungen, etwa geschotterte Waldwege, bieten sich dann Hufschuhe als temporärer Hufschutz an.

Ein Klassiker, warum ein Pferd nicht gut ohne Eisen laufen kann, ist zum Beispiel nicht vorhandenes Sohlengewölbe.

Was sind die Vorteile gegenüber von Eisen?

Die Durchblutung des Hufes ist besser, dadurch ist das Wachstum besser. Weil sich der Huf beim Auffußen weitet, ist auch die Dämpfung besser. Das ist von Vorteil vor allem für die oberen Gelenke. Die Kräfte, die beim Auffußen wirken, können Schäden in den Gelenken verursachen. Eisen haben keine Dämpfung, auch nicht mit Silikoneinlagen. Bei den Kräften, die wirken, sind die nichtig.

Außerdem kann man Fehlstellungen besser korrigieren. Man kann in kleinen Schritten und langsam viel feiner nachjustieren. Und nicht erst nach vier oder sechs Wochen, wenn die Eisen runter kommen, einen riesen Cut machen.

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Dieser Huf ist ein gutes Beispiel für ein ausgeprägtes Sohlengewölbe. Man sieht am dunklen Rand, wo das Pferd den feuchten Boden berührt hat. Die innere Sohle des Hufes hatte keinen Bodenkontakt, der Huf ist gewölbt. Der Huf wurde übrigens nicht von Annette, die hier zu Wort kommt, bearbeitet. Foto: Nadja

Was sind die Nachteile?

Der Besitzer muss Rücksicht nehmen. Er muss schauen, wie das Verhältnis von Wachstum zu Abrieb ist. Ist der Abrieb zu hoch, muss man weniger reiten oder Hufschuhe benutzen – das ist umständlicher.

Therapeutischer Beschlag: Ist so etwas überhaupt möglich?

Ein eindeutiges Jein. Es gibt schon Hilfsmittel wie verbreiterte Schenkel, die sinnvoll sein können, etwa, wenn das Pferd eine starke Außenfußung hat. Mit der breiteren Auflagefläche der Schenkeln gehen die Kräfte gerichteter nach oben. Barhuf würde man das korrigieren, indem man die Hufwand dicker lässt. Das ist nicht so extrem wie beim Eisen.

Hattest du Pferde, für die du einen Beschlag empfohlen hast?

Ja. Eines war so herunter geritten, dass ich der Besitzerin empfohlen habe, es zu beschlagen. Auch bekleben wäre auf Dauer sinnlos gewesen. Der Besitzer muss Abrieb und Wachstum im Griff haben. Wenn das nicht im Gleichgewicht ist, dann ist Beschlag besser für das Pferd, weil es sonst Schmerzen hat. Ein anderes Pferd wurde von der Wiese in einen Offenstall umgestellt. Es hat ebenfalls den Abrieb nicht verkraftet. Das sind zwar Ausnahmefälle, aber es gibt sie.

Woran erkennt man einen gesunden Huf?

Es gibt eine Idealform und einen idealen Hufwinkel. Früher wünschte man eine leichte Trachtenfußung und einen Hufwinkel von 55 Grad. Ich würde das aber nicht standardisieren, das hängt immer vom Pferd ab. Der Huf sollte gleichmäßig geformt sein, vorne runder. Wir wollen einen gut ausgeprägten, dreieckigen Strahl und keine untergeschobenen Trachten. Die Trachten sollten deutlich zu sehen sein.

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Was sind Probleme am Huf, die häufig auftauchen?

Bei Barhuf-Pferden hängt das oft von der Witterungslage ab. Wenn sie tagsüber draußen stehen, und es ist sehr nass, und abends in die Box kommen und der Huf trocknet, dann wird er spröde. Das führt dann zu oberflächlichen Rissen im Horn.

Beim Beschlag, wenn sich die Pferde Eisen runter ziehen, reißen die Hufwände aus, die Nagellöcher sind ein Einfallstor für Mikoorganismen. Dann wird häufig unphysiologisch beschlagen, was zu Hornspalten oder Fehlstellungen führen kann. Viele Schmiede machen auch keine Gangprobe. Es ist aber wichtig, dass das Pferd nach dem Beschlag korrekt auffußt. Tut es das nicht, ist das problematisch, da große Kräfte ungerichtet in die Gelenke treffen. Das kann Arthrosen verursachen.

Woran erkenne ich einen guten Barhufpfleger?

Am Umgang. Er sollte ruhig und nicht zu aggressiv sein und sich Zeit lassen. Er sollte erklären können, was er tut, den Kunden aber auch nicht totlabern. Es gibt einige unterschiedliche Strömungen. Ich finde wichtig, dass man wenig in der Sohle herumschnitzt, den Huf so bearbeitet, dass er zu den Gliedmaßen passt und das Pferd hinterher anständig auffußt. Der Huf sollte nicht zu lang sein, aber auch nicht zu kurz und so steil, dass das Pferd fast vorne überkippt.

parallelWie unterscheiden sich Barhufpfleger, welche Schulen gibt es?

Hufheilpraktiker arbeiten nach Strasser, Huforthopäden nach Biernat. Dann gibt es noch die anderen Schulen wie die BESW, die versuchen, die Hufpflegerausbildung zu systematisieren. Es entstehen immer mehr private Schulen, und es gibt da gravierende Unterschiede in der Bearbeitung – also wie steil man stellt, wie viel Sohle man wegnimmt und welche Winkel favorisiert werden.

Was sind die Hauptmerkmale deiner Schule?

Ich bin ausgebildet von Scola Animilia, eine Tierheilpraktikerschule im Odenwald. In der Praxis entwickelt man seinen eigenen Stil. Ich lasse Elemente von Natural Hoofcare nach Pete Ramey einfließen. Er arbeitet in Richtung des Wildpferdehufs. Die Hufsituation muss aber berücksichtig werden, man kann nicht einfach ein Modell überstülpen. Allgemein versucht man bei der Natural Hoofcare nicht viel in der Sohle zu schneiden, den Strahl nicht über Gebühr zurückzuschneiden, weil es vielleicht schön aussieht. Der Huf soll ein gesundes Sohlengewölbe und eine harte Sohle entwickeln. Außerdem macht man eine anständige Abrollhilfe, und in die Hufseiten wird eine Rundung eingearbeitet. Man hat bei Wildpferdehufen festgestellt, dass die Pferde sich die Hufe so ablaufen würden. So können sie gut überfußen.


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Worin liegt die Gefahr, wenn ein Huf zu stark bearbeitet wird?

Viele Schmiede und auch Hufpfleger stellen Pferde mit schiefen Hufen gerade. Dann steht das Pferd zwar gerade, es läuft aber noch schief, weil sich die Gelenke so schnell nicht anpassen können und fußt extremer auf. Stellt man ein Pferd mit starker Fehlstellung zu radikal um, riskiert man eine Gelenksentzündung. Kürzt man den Huf zu sehr und schneidet zu viel in der Sohle, kann das Pferd fühlig werden und eine Lederhautentzündung entstehen. Barhuf kann man die Schiefe allmählich korrigieren.

Außerdem: Das Gangbild ist wichtiger als die Optik. Gerade bei alten Pferden sehen die Hufe nicht unbedingt alle gleich aus – aber das Pferd läuft gerade. Manche Pferde werden immer schiefe Füße haben, aber damit können sie trotzdem gerade auffußen.

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Wie groß ist die Korrekturarbeit, die ein Hufpfleger überhaupt leisten kann?

Viele Fehlstellungen kommen nicht vom Huf, man sieht sie aber im Huf. Sie können von falsch trainierter Muskulatur kommen oder von Fehlstellungen im Skelett. Man kann von unten schon gegen diese Fehlstellung angehen. Gerade bei Fohlen und Jährlingen kann man noch viel verändern. Später ist das komplette Durchkorrigeren kaum noch möglich.

Der Sinn und Zweck der Bearbeitung ist ja, dass der Huf gleichmäßig belastet wird und die Kräfte gerichtet auf die Gelenke treffen und nicht zu Fehlbelastungen führen.

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3 Kommentare

  1. Was macht man eigentlich, wenn Barhufpfleger, Tierärztin und zweiter Barhufpfleger mit einer anderen Ausbildung unterschiedlicher Ansicht über die Form der Hufe meiner Pferde sind? Keines der Pferde geht lahm oder hat Hufprobleme, aber ich fühle mich vollkommen verunsichert. Erst mal habe ich die Entscheidung getroffen, dass eben ein Barhufpfleger das nach seiner Ansicht bearbeitet. Aber was, wenn ich die falsche Entscheidung getroffen habe?

    • Hallo Tinki, das ist eine gute Frage. Ich an deiner Stelle würde die TA und Hufbearbeiter ausfragen, warum sie die Hufe so bearbeiten wie sie das tun, was die Vor-und Nachteile sind. Ich beispielsweise halte nichts davon, jeden Huf im gleichen Winkel nach Lehrbuch zu stellen oder die Sohle extensiv zu bearbeiten. Deswegen war für mich schnell klar, dass die Natural Hoofcare das beste Modell ist. Ob das die richtige Entscheidung ist, kann ich aber erst sagen, wenn das Pferd damit eine zeitlang gut gelaufen ist. Ich glaube wir alle machen Fehler und entscheiden uns falsch – und müssen lernen, damit zu leben. Solange deine Pferde aber gut laufen, würde ich mir keine Sorgen machen. Und es ist ja nicht nur bei den Hufen so. Es gibt so viele Wahlmöglichkeiten, sei es bei der Fütterung oder dem Training. Ich versuche, so gut wie möglich informiert zu sein. Aber alles kann man eben nicht wissen. VG! Nadja

  2. Ja – das ist wohl so. Immerhin bin ich alt genug, um den anderen zu sagen: wir machen das jetzt nach einer Methode und warten erst mal ab. 😉

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