Der ultimative Post für die allerperfekteste Beziehung zu deinem Pferd – garantiert

Schattentanz unter Strom. Foto: Hülya

Willst du dir wirklich von (uns) Bloggern, Autoren oder anderen Publizisten, die dich und dein Pferd nicht kennen, sagen lassen, was hundertprozentig genau das Richtige für euch ist?

• „Der ultimative Weg zur perfekten Harmonie mit deinem Pferd“

• „Die drei Schritte, um dein Pferd garantiert zu verstehen“

• „Mit diesen super einfachen Tipps lernt dein Pferd alles“

• „Die allerwichtigste Wahrheit über Pferdetraining, die du unbedingt wissen musst“

Hüte dich vor Superlativen und absoluten Wahrheiten, vor Versprechen von einfachen Lösungen und der Aussicht von maximalem Erfolg, der sich natürlich über Nacht einstellen wird. Was sich zu erreichen lohnt, ist in der Regel mit harter Arbeit verbunden und wird einem nicht geschenkt. Und je größer die Erwartung, desto größer die Enttäuschung, wenn sie am Ende nicht ohne Weiteres erfüllt wird. Und desto größer die Selbstzweifel.

Selbsthilfe? Nein danke.

Mir sind diese Pseudo-Transformations-Angebote mit ihren Versprechen, dass es ja sooooo leicht sei, so ein Graus, weil sie an unserem wundesten Punkt ansetzen und massiv Druck aufbauen: Wir fühlen uns nicht gut genug und müssen uns ändern. Für unser Pferd! Wir müssen endlich Verantwortung übernehmen! Das sind wir ihm schuldig!

Der Klassiker der Selbsthilfe geht so: Anleitungen, die eines deiner kniffeligsten Probleme spielerisch lösen, werden als total einfach verkauft – mit dem Hinweis, dass der Tippgeber kein Superheld ist und es trotzdem geschafft hat. Und deswegen schaffst du es garantiert auch!

Was an sich eine gute Sache sein könnte – aufmunternd, inspirierend, Kraft gebend – kann allerdings schnell nach hinten losgehen. Wer Selbsthilfe liest, ist mit großer Wahrscheinlichkeit an einem Ort, den er gern verlassen will. Es geht ihm nicht gut, weswegen er etwas verändern will und sich Hilfe holt. Das Problem dabei: Wenn es trotzdem nicht klappen will mit der versprochenen Transformation, fällt man in seinen Denkmustern automatisch auf sich selbst zurück und damit werden Glaubenssätze, die man eigentlich ablegen wollte – „ich bin zu dumm/nicht gut genug/unfähig“ – erst recht verstärkt. Denn schließlich ist man nicht mal in der Lage einen (als einfach verkauften) Rat umzusetzen. Also muss ja etwas mit einem selbst verkehrt sein.

Das ist natürlich Bullshit – vielleicht war der Ratschlag auch einfach unpassend für Mensch, Pferd, die Situation oder an sich Schwachsinn. Aber, wer einmal in der Spirale des Selbstzweifels oder der fehlenden Selbstakzeptanz kreiselt, der wird in diese Richtung nicht denken. Der sucht den Fehler zuallerst und meist ausschließlich bei sich. Und der Tippgeber wird natürlich nichts dazu beitragen, solche Ideen zu fördern – sonst kommt am Ende noch raus, was er für einen Blödsinn erzählt hat.

Und so wird aus etwas wirklich Gutem – dem Wunsch Eigenverantwortung zu übernehmen, ins Handeln zu kommen, Hilfe zu suchen, etwas zu verändern – ein Boomerang, der die eigenen Selbstzweifel noch verstärkt.


Werbung*


Bist du wirklich der beste Trainer für dein Pferd?

Das gleiche Verkaufsargument der kinderleichten Transformation hat dieser Slogan, der mir jüngst begegnet ist: „Du bist der beste Trainer für dein Pferd.“

Bullshit.

Die Aussage ist so allgemeingültig, dass die Qualifikation „bester Trainer“ nur an die Bedingung des Pferdebesitzens geknüpft ist. Weil das Pferd mir also auf dem Papier gehört, bin ich sein perfekter Trainer? Im Leben nicht. Man muss es so hart sagen: Ganz viele Leute sind nicht gut genug in ihren Fähigkeiten für ihre Pferde. Das ist die Wahrheit, auch, wenn es weh tut. Sie nehmen zu wenig wahr, sie interpretieren ihr Pferd falsch, sie sind zu unsportlich, sie haben Blockaden im Kopf und im Körper und ihre Emotionen nicht im Griff. Aber: Nur, weil das jetzt so ist, muss das nicht immer so sein. Denn wir können besser werden, uns fortbilden, Stunden nehmen. Unser Wissensstand und unsere Fähigkeiten sind nicht in Stein gemeißelt. Wir haben immer die Chance, daran etwas zu verändern. Das ist nicht leicht und geht auch nicht von heute auf morgen, wie die oben genannten Angebote es weismachen wollen. Dennoch gibt es Hoffnung. Der Slogan sollte meiner Meinung nach lauten: „Du kannst ein guter Trainer für dein Pferd werden.“ Der beste? Nein. Da draußen gibt es vermutliche einige Horseman, deren Fähigkeiten wir in diesem Leben nicht mehr erreichen werden.

Übrigens: Versagensangst und das Gefühl, fürs eigene Pferd nicht gut genug zu sein, sind nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist narzistische Selbstüberhöhung. Die war gerade als Reaktion auf das Fünf-Kampf-Drama der Olympischen Spiele in Tokyo in voller Schönheit zu beobachten. Gehobene wie ambitionierte Freizeitreiter genauso wie Profis und Experten für die Pferdegesundheit fühlten sich berufen, die Ereignisse zum Anlass zu nehmen, ihre eigenen Fähigkeiten goldmedaillenwürdig in Szene zu setzen. Das Fazit: Wenn alle nur so toll wären wie sie, dann müssten Pferde nie wieder leiden!

Diese Art der Selbstwahrnehmung ist in der Konsequenz fürs Pferd genauso schlecht wie der Reiter, der denkt, immer alles falsch zu machen. Denn wer aufgehört hat (auch an sich und seinen Fähigkeiten) zu zweifeln und seine Skepsis über Bord wirft, vertraut blind. Damit verengt sich das Sichtfeld und vor allem geraten alle Alternativen aus dem Blick. Ohne Zweifel und ohne Skepsis gibt es nur noch absolute Wahrheiten. Im Pferdetraining (und überall sonst) ist das hochgradig hinderlich – weil, was tun, wenn unser Pferd der Meinung ist, dass genau diese absolute Wahrheit für es nicht gilt? Halten wir dann an etwas fest, was offensichtlich nicht funktioniert, nur, weil wir so sehr daran glauben wollen?

Es gibt keine Anleitungen, die immer funktionieren. Und es gibt auch keine Horsemen, die immer Recht haben.

Methoden und ihre Vorteile: Sag mir genau, was ich jetzt tun soll!

Buntes Knotenhalfter* im Parelli-Stil, aber ohne Metallhaken, Cowboy-Flagge und Jodhpur-Reithosen? Was ist das bitte für eine Mischung? Foto: Isabel Tomczyk Photography

Irgendwo anfangen müssen wir trotzdem. Ich zum Beispiel mag Methoden und durchaus auch die Gurus, die mit ihnen kommen. Ich denke dann schon mal im Sinne von „der hat so viel Erfahrung mit Pferden, so viel mehr als ich, der muss es einfach wissen.“ Und es gibt da draußen auch in der Tat Pferdemenschen mit Skills vom anderen Stern, die den Umgang mit dem Pferd auf einem Niveau beherrschen, dass es einer Kunstform gleichkommt.

Über die Jahre habe ich mich mit einigen Pferdetrainern und deren Lehren und Systemen beschäftigt und bin ihnen über längere Zeit gefolgt, habe ihre Bücher gelesen, ihre Videos gesehen, ihre Kurse besucht und mit ihnen persönlich gesprochen. Den Guru habe ich immer dann gewechselt, wenn ich nicht mehr weiter kam oder ich eine Entwicklung nicht mitgehen konnte oder wollte.

  • Mein Horsemanship-Einstieg war ganz klassisch das Level-System von Pat und Linda Parelli. Solides Handwerkszeug und gute Einblicke, wie Pferde ticken. Die wurden mir dann aber zu FN-nah. Schließlich bin ich zum Horsemanship gewechselt, weil ich mit den Lehren der FN eben nichts anfangen konnte.
  • Dann stieß ich auf Buck Brannaman, ein Buckaroo des amerikanischen mittleren Westens, Schüler von Tom Dorrance und Ray Hunt, den Vätern des US-Horsemanship, und ein Reiter, dessen Präzision für mich unerreicht ist. Buck kann aber schon ein ziemlicher Hardliner sein und ich mag Dogmen nicht.
  • Mein Folge-Guru wurde Warwick Schiller, ein australischer Reining-Trainer, der sich mit no-nonse-Videos auf Youtube eine rasant wachsende Followerschaft aufbaute. Und zu recht. Ohne Warwick hätte ich die PN nicht in die Familie geholt. Er hat so viele meiner Wissenslücken gefüllt und Verständnis für Zusammenhänge geschaffen. Warwick ist ein begnadeter Erklärer, jeder Satz der frühen Videos hat mir Augen geöffnet und Aha-Momente beschert. Bei der Clinic habe ich ihn als guten, hilfsbereiten Lehrer erlebt, der nicht urteilt, sondern lehrt. Da er – anders als viele andere der Pferdebranche – ständig dazu lernt und sich weiterentwickelt, ist er nun aber in eine Richtung unterwegs, die ich selbst nicht mitgehe.
  • Zwischendrin schaute ich die Videos von Carson James, ein junger Buckaroo ebenfalls aus den USA, der in der Tradition von Buck Brannaman trainiert, aber deutlich besser erklären kann und teilweise noch einen anderen Dreh findet.
  • Ross Jacobs ist ein australischer Pferdemann, der auf einem komplett anderen Dampfer unterwegs ist als die traditionellen Horseman. Für ihn geht es immer darum, die Gedanken des Pferdes zu verändern, weniger die Füße zu bewegen. Ich hätte gern seine Ideen ausprobiert, aber die sind für mich nicht ohne Weiteres umsetzbar. Ross hat einen Doktortitel, einen akademischen Hintergrund und lange in der medizinischen Forschung gearbeitet. Ich lese seine Essays gerne, weil er mit scharfem Blick aktuelle Themen beleuchtet und zu Schlüssen kommt, die nicht immer auf der Hand liegen. Die Pferdeszene braucht mehr Hirn, mehr sachliche Argumente und weniger Kopisten – Ross trägt dazu bei.
  • Mark Langley, ebenfalls ein Australier, arbeitet ähnlich wie Ross – seine Ideen sind mir völlig fremd, sehen in der Anwendung manchmal eher hässlich aus, aber sie funktionieren.

Einen Ausflug in die akademische Reitkunst habe ich auch unternommen, mich dort aber nie Zuhause gefühlt. Dennoch kommt der Input zur Gymnastizierung und Biomechanik aus dieser Zeit heute der PN und ihrem schwachen Rücken zugute.

Ratschläge anwenden – nach unseren eigenen Maßstäben

Das zentrale Problem aller Methoden: Um möglichst breit anwendbar zu sein, muss stark vereinfacht werden. Methoden können deswegen nie alle individuellen Fälle berücksichtigen.

Wir alle bringen zudem andere Voraussetzungen mit. Wir haben unterschiedliche Lernstile, unterschiedliche Ziele und Prioritäten.

Ich bin nicht so ein versierter Reiter wie Buck Brannaman, ich habe nicht die Ranches und die Trainingsmöglichkeiten wie Pat Parelli und ich bin kein Meditations-Guru wie aktuell Warwick Schiller.

Deswegen müssen wir Ratschläge der Großen immer bei uns im Kleinen anwenden und bei Bedarf auch anpassen. Ich finde es wichtig, dass wir uns dabei nicht fremde Maßstäbe zu eigenen machen, sondern unsere eigenen formulieren und finden. Was für Buck schlechtes Timing ist, ist für mich in diesem Augenblick vielleicht ein Fortschritt, weil mein Timing davor noch viel dürftiger war. Nicht der absolute Blick hilft uns hier, sondern die Relation, das Verhältnis.

Außerdem sollten wir uns eine gewisse Offenheit (nicht Beliebigkeit!) bewahren: Denn manchmal taugen Ratschläge, die wir gar nicht hören wollen. Und manchmal sind Ansätze, die wir in der Theorie verworfen haben, für unser Pferd in der Praxis sinnvoll.

Die PN und ich im Jahr 2020 – noch mit Trense, nörgelndem Maul und Sattel unterwegs. Foto: Isabel Tomczyk Photography

Mein Ziel war es zum Beispiel, die PN mit Gebiss in der Western-Dressur auszubilden – ich wollte die Lässigkeit des Westernreitens mit der Gymnastik der Dressur verbinden. Aktuell reite ich ihn mit einem selbst gemachten Bosal. Meine Reitlehrerin musste mich eine ganze Weile auf die Option gebisslos drängen, weil ich so sehr am Reiten mit Gebiss und meinem Wunsch, in der Tradition des Horsemanship auszubilden festhielt. Außerdem habe ich den Sattel, der mich etwas hinter den Schwerpunkt setzte und meinen Stuhlsitz betonte, gegen ein Reitpad getauscht. Mit Pad sitze ich besser. Ich musste komplett umdisponieren, die PN läuft jetzt zufriedener und feiner.


Werbung*


Das Ganze brachte auch einen psychologischen Vorteil, denn mit Pad und Bosal habe ich komplett abgerüstet. Es wäre ein leichtes für ihn, durch die Einwirkung des Bosals zu gehen und es wäre ebenfalls kein Problem, mich unterwegs zu verlieren. Die Ausrüstung verlangt von mir einen Vertrauensvorschuss und limitiert meine Kontrollvorliebe auf eine gute Art und Weise.


Hätte ich meine Bodenarbeit auf das reine Horsemanship und noch die 7 Spiele von Parelli für ein Mehr an Abwechslung beschränkt, hätte ich jetzt vermutlich ein feines, braves, aber immer noch unterbemuskeltes Pferd.

Dank meinen Ausflügen in die klassische Handarbeit mit Schulterherein, Kruppeherein und Dehnen und Verkürzen des Rahmens hat die PN schön aufgemuskelt und einen stärkeren Rücken bekommen.


Noch ein paar Sätze zum Thema Beliebigkeit. Ich habe Prinzipien im Pferdetraining, die nicht nur Disposition stehen. Keine Sperrriemen. Keine Ausbinder. Keine schärferen Gebisse zur besseren Kontrolle. Wenn ich etwas nicht kann, dann versuche ich es mir anzueignen. Gelingt mir das nicht, dann lasse ich es bleiben. Wenn ich also nur mit Pelham ausreiten kann, weil mir sonst der Gaul durchgeht, dann gehe ich nicht ausreiten.

Diese Prinzipien stehen für mich fest – und deswegen nicht zur Debatte. Ein Tierarzt empfahl mir mal, die PN doch besser ausgebunden zu longieren, um den Rücken zu stärken. Nein danke.

Die PN läuft an der Longe und frei im Roundpen mittlerweile wie auf Schienen. Er hat das gelernt – ganz ohne Ausbinder. Den praktischen Stick kannst du hier kaufen*. Foto: Isabel Tomczyck Photography

Methoden mischen – aber wie?

Du siehst, ich bin ein ganz schöner Methoden-Mischer. Das kann entscheidende Nachteile bringen: Die Schritte von Methoden haben immer eine gewisse Reihenfolge und bauen aufeinander auf (sonst wäre es keine Methode). Wenn ich mir jetzt beliebig herauspicke, was mich anspricht oder was ich sinnvoll finde, dann fehlen mir die vorherigen Teile und damit baue ich auf ein instabiles, löcheriges Fundament, was am Ende den Erfolg verhindern wird. Ganz typisch ist dabei der Versuch, schwierige Lektionen umzusetzen, wenn noch nicht mal die Basics vorhanden sind: Kruppeherein im Trab zu reiten, wäre schon nice. Allerdings steige ich nicht damit ein. Ich benötige zunächst die Kontrolle über Hals und Kopf, die Schulter und die Hüfte im Stand, dann im Schritt und dann erst kommt der Trab.

Die Fülle an Einblicken und Wissen verschiedenster Ansätze bringt auch Schwierigkeiten mit sich, weil sich manche Lehren schlicht widersprechen: Buck reitet vollkommen konträr zur akademischen Dressur, Warwick und Ross nutzen den inneren Zügel, was dem Dressurreiter ein Graus ist und Mark Langley treibt das Pferd kategorisch nicht von sich weg, wo jeder echte Horsemanshipler nur fassungslos den Kopf schüttelt. Es ist nicht immer leicht zu wissen, was denn jetzt der richtige Weg für sich und sein Pferd ist.

Für das Dilemma gibt es zwei Lösungen: Wissen und Experimente. Wenn ich Methoden ausprobiere, brauche ich ein hinreichendes Wissen über die Methode, ihre Vorteile und Nachteile. Nur dann kann ich beurteilen, ob es sinnvoll ist, einzelne Teile herauszupicken oder nicht.

Selber denken: Mache Experimente!

Dieses breite Wissen hat dann den enormen Vorteil, dass es uns in die Lage versetzt, Experimente zu machen.

Der Vater des Horsemanship, Tom Dorrance, hat dazu einige Aussagen getroffen, die für die Ewigkeit gemacht sind:

„Adapt to fit the situation“

(Anpassen, um der Situation gerecht zu werden“) 

Tom Dorrance

„It depends“ (es kommt darauf an)

Tom Dorrance

„Observe, remember and compare

(beobachte, merke es dir und vergleiche)“

Tom Dorrance

Hier lässt sich sofort erkennen: Tom Dorrance wird nicht konkret. Selten kann man aus seinen Worten oder seinem Buch Tipps für bestimmte Situationen oder Schwierigkeiten mit seinem Pferd ableiten. Aber je mehr und je länger man mit Pferden zu tun hat, umso mehr versteht man seine Aussagen als das, was sie sind: universelle Wahrheiten.

Sie machen es uns nicht leicht, da sie uns auffordern selbst zu denken. Selbst zu beobachten, zu experimentieren. Dabei werden wir Fehler machen. Und das ist voll ok.

„Observe, remember and compare“ enthält übrigens kein „judge“. Das zu bemerken ist wichtig, da uns schnell Fehlurteile unterlaufen, wenn wir anfangen, unsere Beobachtungen zu bewerten: Das Pferd legt die Ohren an, es hat keinen Respekt (meine Bewertung), ich zeige ihm jetzt mal, wer hier die Hosen anhat (Emotionalität aufgrund der Bewertung). Versus: Das Pferd legt die Ohren an, es zeigt sein Unbehagen, kann ich meine Hilfe besser geben?

Eines ist sicher: Bequemlichkeit hilft uns nicht. Wachstum passiert außerhalb der Komfortzone, bei Mensch und beim Pferd.

Nach einer nicht gelungenen Reiteinheit wollte ich die PN im Roundpen galoppieren lassen. Ich hatte den Eindruck, das würde ihm guttun und ich wollte ihm dabei nicht im Rücken herum fallen – irgendwie hatte ich an dem Tag keinen guten Sitz gefunden. Ich ließ spontan das Tor offen, um zu sehen, ob die PN drin bleiben würde. Mein Deal: Du trabst und galoppierst um mich herum und dafür bekommst du Fresspausen. Die PN machte ein, zwei Mal mit, entdeckte dann die offene Tür, trabte raus, drehte auf halber Strecke herum und kam etwas überfordert wieder zurück. Ich fragte nochmal und er entschied sich immer schneller für ein immer stärkeres und weiteres Weggehen. Beim letzten Mal warf ich ihm das Seil hinterher. Das hat ihn so erschrocken, dass er bockend losstürmte, um die Ecke auf den Platz, wo er wie ein Irrer herum schoss und nach vorn und hinten austrat. Weil ich nicht wollte, dass er wieder aus dem Platz rausgaloppierte, habe ich ihn am Eingang abgefangen und in den Roundpen zurück transportiert – er folgte mir frei, aber widerwillig. Dann habe ich das Tor geschlossen und ihn wie eigentlich geplant noch ein paar Runden galoppieren lassen. Er war noch massiv unter Strom und setzte jede kleinste Geste sofort in Beschleunigung um. Auch ein paar schöne Passage-Ansätze waren dabei. Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, machte ich das Tor wieder auf und nachdem er eine Runde traben und bei mir bleiben konnte, war die Einheit beendet.
Warum ich das schreibe: Es ist ein Beispiel für ein Experiment, das nicht funktioniert hat. Die PN im Roundpen zu halten, war mit ziemlich großer mentaler Manipulation verbunden – er weiß, was sein Job ist und er mag Pause, Lob und Gras, aber einfach draußen grasen ist eben auch sehr verlockend – und seine Antworten entfernten sich immer mehr von dem, was ich eigentlich wollte: Er ging immer schneller und zielstrebiger.
Andererseits waren mit der Situation diverse interessante Einblicke verbunden:

  • Ich konnte zum Beispiel meinen emotionalen Status „heiter-gelassen“ behalten. Sein Weggehen hat mich nicht geärgert.
  • Losbocken kann auch mal gut tun und sinnvoll sein.
  • Ich kann mich ihm entgegenstellen und ihn bremsen, auch wenn er hart drauf ist.
  • Die PN folgt mir frei, auch wenn er eigentlich etwas anderes will.
  • Die Bewegungsqualität nach dem Energie- und Emotionsausbruch war um diverse Grade besser: Die PN lernt gerade Tritte verkürzen im Trab und auf einmal war da eine Schwebephase.
  • Die PN kam nach maximal oben raus sehr schnell wieder runter. Früher hätte er sich im Roundpen in blinde Rage gerannt, heute blieb er ansprechbar und fand von sich aus wieder in einen gemäßigteren Galopp und zurück in den Trab.
  • Unsere Kommunikation war danach viel besser, weil wir beide wieder genauer hingeschaut haben als vorher.
  • Raus aus dem alten Trott: Neue Trainingsreize (wenn hier auch unfreiwillig) verändern den Blickwinkel und können wichtige Erkenntnisse liefern.

Bei allen Experimenten müssen wir auf das Feedback des Pferdes vertrauen (auch dann, wenn seine Reaktion nicht derjenigen entspricht, die der Horseman des Vertrauens bzw. der Reitlehrer erwartet).

Das Gute: Wir lernen immer – und sei es nur die Gewissheit, einen gewissen Weg nicht gehen zu wollen. Wenn wir aber immer nur das Gleiche tun, dann werden wir eben immer nur die gleichen Ergebnisse erhalten.

Manchmal fehlen uns auch die Ideen. Wir sind so festgefahren in unseren Vorstellungen, dass uns Alternativen nicht in den Kopf wollen. Das ist das kleinste Problem: Inspiration gibt’s dank Internet jede Menge, zum Beispiel als Podcast oder Youtube-Video.

Außerdem brauchen wir Zeit: Nicht alle Veränderungen stellen sich sofort ein. Manche Dinge – Vertrauen zum Beispiel – entwickelt sich erst allmählich.

Fazit

Es ist genauso kompliziert wie dieser Text!

Der Weg mit dem Pferd ist nicht nur dann richtig, wenn er leicht ist. Und andersherum: Wenn etwas leicht geht, bedeutet das nicht, dass es auch zwangsläufig richtig ist.

Was finde ich denn nun den besten Ansatz? Suche in der Mitte.

Hier geht’s um Harmonie mit dem Pferd.

Hier geht es ausführlich um die verschiedenen Ansätze, die ich mit der PN ausprobiert habe.

Die subtile Kunst des darauf Scheißens*
Anti-Selbsthilfe von Mark Manson.
True Unity: Willing Communication Between Horse and Human*
Für alle, die sich so richtig eindenken und einfühlen wollen.
Buck Brannaman - Horseman aus Leidenschaft*
Ein Buch von und mit Buck Brannaman.

Ein Interview mit Ross Jacobs.

Der magische Knopf zur Lösung aller reiterlichen Probleme!

— Alle Links mit * sind Affiliate-Links! —

Teile diesen Beitrag!

Ein Kommentar

  1. Hallo Naja
    Genau so wie Du es beschreibst, erlebe ich es auch. Mein Pferd ist ein Hobby, deshalb dauert es länger, bis mein Werkzeugkasten eine entsprechende Bandbreite erreicht hat. Ebenso ist meine Erfahrung gewachsen, was wann nützlich ist. Das ergibt sich aus gelungenen und misslungenen Experimenten.

    Viele Grüße, Silke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich stimme der Datenschutzerklärung zu