Gebisslos reiten mit Bosal – die Gründe

Gebisslos reiten mit der kalifornischen Hackamore, dem Bosal
Die Länge der Zügel wird über die Schlaufe in der linken Hand angepasst. Foto: Marko

Mit Gebiss reiten war geplant, erst eine Wassertrense, dann ein Shank Bit und einhändig, so wie man das eben macht. Gebisslos reiten mit Bosal hatte ich nicht wirklich auf dem Plan. Die PN sah das etwas anders, und deswegen reiten wir jetzt gebisslos mit einem selbstgemachten Bosal aus Paracord.

Heute geht es deswegen darum, was das Bosal als gebisslose Zäumung so ausmacht und warum wir eine Variante davon aktuell nutzen.

Die Zäumung Bosal (Kalifornische Hackamore)

Das Bosal heißt richtig eigentlich Kalifornische Hackamore, Bosal bezeichnet ursprünglich nur den Nasenteil: eine feste, aus Rohhaut geflochtene Schlaufe, die mit einem Hanger am Pferdekopf befestigt wird. Sie besteht aus den Teilen Nose Button – der dicke, geflochtene Bogen auf der Pferdenase -, den Backenstücken, Cheeks genannt, und dem Gegengewicht Heel Knot, der die Schlaufe zusammenführt. Der Nose Button bestimmt die Wirkung und die Balance mit: Ist er zu lang, kippt das Bosal beim Zügelanzug eher auf der Nase als dass es rollt. Das macht es für das Pferd unangenehm.

Das Bosal ist damit so aufgebaut, dass es tatsächlich eher auf der Pferdenase hängt – das ist gewünscht für die Einwirkung. Es wird also nicht mit einem Standard-Kopfstück verschnallt und die Pferdeanatomie bedingt, dass der Hanger näher am Auge vorbeiläuft als ein klassisches Reithalfter oder Kopfstück. Wem das zu nah ist, der kann es mit einem Tie Back als Backenstück zurückbinden.

Die Teile des Bosal

Bosal: Leder, Machart und Preis

Bosals werden aus verschiedenen Lederarten bzw. aus Rohhaut oder einer Kombination geflochten – mir sind Kuh, Ziege und Känguru geläufig – und mit unterschiedlich vielen Strands, den Strängen. Die Zahl der Flechtungen (Plaits) unterscheidet sich bei Nose Button und Cheeks.

Zwar ist die Flechtung mit noch mehr Strands feiner, aber dafür können die sich schneller aufreiben und das kann fiese Scheuerstellen am Pferdekopf auslösen (wobei es natürlich auch gegenteilige Meinungen gibt).

Das Bosal kommt je nach Ausbildungsstand von Pferd und Reiter in unterschiedlichen Dickegraden – man beginnt mit dick (5/ 8 inch) und graduiert hin zu schmal (1/2 inch).

Ein gutes Bosal ist in sich biegsam, es hat Flex. Man kann es also sowohl nach außen und nach innen biegen, also weiten und schmäler machen, als auch in der Längsachse nach hinten und nach vorn. Den Grad des Flex bestimmt die Machart. Bosals mit wenig Flex gelten als direkter, Bosals mit mehr Flex entsprechend als weicher.

Der Preis für ein Bosal aus Rohhaut beginnt bei etwa 250 Euro – es ist echte, aufwändige Handarbeit. Wenn man sich das Bosal auf sein Pferd maßanfertigen lässt, steigt er entsprechend weiter.

Mecate: Material und Preis

Die Zügel, Mecate genannt, werden unter dem Pferdekinn um das Bosal gewickelt und ihr Ende als Leadrope am Sattel festgebunden. Die Mecate sollte in ihrer Dicke zum Durchmesser des Bosals passen, damit die Balance gewährleistet ist. Also ein 5/8-Bosal wird mit einer 5/8-Mecate geritten.

Mecaten kosten je nach Material (Mähnenhaar, Alpaka oder Mohair) ab 130 Euro, Nylon- oder Paracord-Mecaten sind günstiger.

Der Bosal-Purist würde nie etwas anderes anfassen als eine Echthaarmecate. Jetzt muss man sich aber vor Augen führen, dass die Tradition des Bosalreitens aus Kalifornien stammt – aus einem Klima mit weniger Luftfeuchte und Regen als bei uns. Mähnenhaarmecaten leiden bei Regen, können krisselig und steif werden – und wenn man das Handling nicht beherrscht, ärgert man sich grün und blau, wenn das teure, wunderschöne Stück mal wieder im Sand gelandet ist. Ich nutze deswegen eine Mecate aus Paracord – robust und genauso funktional (oder zumindest merke ich den Unterschied nicht).

Hier ein Video mit mir, das dir ein gutes Bosal zeigt.

Hier ein Video, wie die Mecate korrekt ins Bosal gebunden wird.

Gebisslos reiten mit Bosal
Die Paracord-Zügel in der Hand, die Mecate ist ans Reitpad gebunden. Foto: Marko

Bosal und Mecate: So wirkt die Zäumung

Das Bosal ist an sich steif und deswegen hat es eine Hebelwirkung: Nehme ich die Zügel auf, rotiert es auf der Nase des Pferdes: Der Nasenteil rollt vor, Cheeks und Heel Knot bewegen sich in Richtung Brust. Deswegen ist auch die seitliche Einwirkung, das heißt laterale Hilfengebung, begrenzt. Für die PN war es am Anfang außerdem schwierig zu verstehen, dass der Druck auf der Gegenseite erfolgt: gebe ich eine laterale Hilfe am linken Zügel, spürt er das auf der rechten Nasenseite.

Ein gut sitzendes Bosal ist für das Pferd dann am bequemsten zu Tragen, wenn es den Kopf in die Vertikale nimmt – damit macht das Bosal die Beizäumung leicht.

Meine Erfahrungen mit der Bosal-Reiterei

Um die Reiterei mit Bosal wird allgemein ein großes Bohei gemacht. Diverse Warnungen stehen im Raum „Auf keinen Fall in Anfängerhände! Nur mit Trainer, sonst ruinierst du dein Pferd!“ und jeder sagt etwas anderes zu Passform, Material, Länge, Wickelungen der Mecate, der Bedienung oder der Eignung.

Als der Projektwallach noch lebte, war ich sehr interessiert daran, da ich mir von der Zäumung ein Mehr an Aufrichtung und eine bessere Kommunikation versprochen habe. Ich ritt ihn wegen seiner Zahnprobleme mit dem Knotenhalfter, wir kamen auch gut klar, aber ich konnte nicht mehr Finetuning erreichen.


Die Herangehensweisen für das Reiten mit Bosal

Auf einer Ranch wollte ich deswegen im Urlaub anfangen, das Bosal-Reiten zu lernen und eine Basis legen – oder zumindest einen guten Einblick bekommen. Weil ich „zu langsame Hände und Handgelenke“ hatte, durfte ich aber keines ihrer geschätzten Quarter Horses reiten. Deswegen schnallte man dem abgestumpften Schulpony eines drauf – das mit mir dann machte, was es wollte, weil es merkte, dass ich keinen Plan hatte und es zusätzlich einfach durch den Druck auf der Nase hindurch ging. Dort erfuhr ich auch die Interpretation, dass es sich beim Bosal um eine „psychologische“ Zäumung handele und das Pferd auf gar keinen Fall lernen dürfe, durch den Druck hindurch zu gehen. Sonst sei es ruiniert.

Hilfen wurden zuppelnderweise geben, also nicht mit Annehmen oder Nachgeben, weil sich das Pferd dann leichter auf die Zügel hängen kann. Ich finde diese Zuppelei ganz fürchterlich, weil man dem Pferd im Prinzip das Bosal auf der Nase tanzen lässt und sagt „und jetzt finde mal schön die Lösung, damit das Gebummere wieder aufhört“. Ein leises Annehmen oder verschiedene Handpositionen – auch mit Halten – erlauben dem Pferd eher, dem Gefühl zu folgen, setzen natürlich aber voraus, dass das Pferd nicht einfach durchwalzt (was dann natürlich immer auch etwas mit dem Menschen zu tun hat).

Für mich war das also nichts, aber zum Glück gibt es andere Herangehensweisen. Der US-Horseman Buck Brannaman zum Beispiel zuppelt nicht. Er reitet im Bosal wie mit Trense auch – allerdings reitet Buck auch schon mit der Trense mit diversen Hand- und Armpositionen, die Einwirkung ist lang nicht so statisch wie die eines „normalen“ Dressurreiters. Buck folgt dabei einer stringenten Herangehensweise bei der Ausbildung seiner Pferde zum fertigen Bridle Horse gemäß der Tradition. Das Bosal kommt erst auf das Pferd, wenn es die Grundlagen aller Manöver in der Wassertrense, dem Snaffle Bit, beherrscht. Es stellt damit die zweite, fortgeschrittene Ausbildungsstufe dar. Ziel ist, das Pferd „straight in the bridle“, also einhändig im Spade Bit zu reiten

Hier der Trailer zum Film „Buck“.


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Andere Traditionen aus Kalifornien reiten das Pferd direkt mit Bosal an. Das kann auch sinnvoll sein: Da zur Zeit des Anreitens oft noch die Zähne kommen und eine gebisslose Zäumung das Pferd dann nicht stört. Ein echter Könner (und total nett) ist hier zum Beispiel Jeff Sanders.

Die Hilfengebung mit Bosal

Die Hilfengebung im Bosal unterscheidet sich also abhängig vom Stil, in dem man reitet. Was für die einen gang und gäbe ist, ist bei den anderen verpönt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gerade am Anfang deutlich mehr Bewegung mit den Händen und Armen erforderlich ist, als man es aus der Dressur-Reiterei mit Wassertrense kennt:

  • Ich nehme den Arm für eine seitliche Hilfe weg vom Widerrist in die Richtung, in die das Pferd schauen soll.
  • Die Höhe der Hände variiert und sie agieren unabhängig voneinander.
  • Die Finger sind nicht zur Faust verschlossen, sondern offen – wir setzen sie einzeln und nacheinander ein.
  • Einseitige Hilfen helfen dem Pferd, das Bosal zu verstehen.
  • Rückwärts einwirkende Hilfen sind ein absolutes No Go, am Anfang auch das Annehmen beider Zügel gleichzeitig.
  • Ich reite im Bosal so, wie ich im Knotenhalfter reiten würde.

Der Sitz des Bosals: Unterschiedliche Meinungen

Schaut man sich die europäische Bosal-Reiterei abseits des Western-Turniersports an, fällt auf, wie viel Wert auf die perfekte Passform eines Bosals und das Shapen, das Anpassen der Form, gelegt wird. Das ist auch sinnvoll: Wenn das Bosal nur punktuell aufliegt, entsteht schnell viel Druck auf der Pferdenase, denn es bringt ein ordentliches Gewicht mit. Im Western-Turniersport baumeln Bosals dagegen oft regelrecht lose um die Nase mit viel Spiel auch nach links und rechts.

Ohne jetzt Expertentum beanspruchen zu wollen, würde ich hier die Mitte wählen: Ich finde „passende Bosals“ nach den gängigen Kriterien vieler europäischer „Vaqueros“ zu eng. Sie scheinen auf die Kaumuskulatur zu drücken und ich bin nicht sicher, ob das Pferd überhaupt das Maul aufmachen kann, ohne direkt in Kontakt mit dem Bosal zu kommen.

Weg vom Reiten mit Gebiss


Und warum reiten wir jetzt mit einer Art Bosal? Die PN ist ein absoluter Gebiss-Nörgler. Er kann es zwar in allen Gangarten ruhig tragen, aber sobald eine Zügelhilfe – auch eine zarte – ankommt, gehen das Kauen, Lecken und die Zungenspiele los. Ich habe es verschieden hoch eingeschnallt (Sperrriemen oder Mouthcloser kommen mir nicht ans Pferd), Wassertrensen ausprobiert – ohne Erfolg. Nach spätestens 15 Minuten ist er so am Nölen, dass ein Großteil seiner Aufmerksamkeit vom Gebiss beansprucht wird und für mich nicht viel übrig bleibt, wobei er nicht die Zunge darüber legt. Die Zähne werden regelmäßig gemacht.

Also hab ich mich wohl oder übel (eher übel, denn ich will mit Gebiss reiten!) nach einer Alternative umgesehen.

Gebisslos reiten mit Sidepull


Ich habe ein Sidepull vom Vorbesitzer der PN mitgebracht und es für unsere ersten Ritte benutzt. Es sitzt ähnlich wie ein Halfter und hat links und rechts zwei Ringe, an denen die Zügel ansetzen. Um direkte, seitliche Zügelhilfen zu verstehen, ist es optimal. Gerade Jungpferde haben es damit leichter, da die Verbindung eine direkte ist: Zug links bedeutet „schaue links“.


Insgesamt habe ich damit aber zu wenig Einfluss auf den Nacken und kann damit die Anlehnung und die Haltung des Pferdes nicht gut genug bestimmen. Für feines Reiten bietet es mir viel zu wenig Einwirkungsmöglichkeiten.

Gebisslos reiten mit Knotenhalfter (Natural Hackamore)


Unser erster Gebisslos-Versuch nach der Trense war eine Art der sogenannten natürlichen Hackamore: Ein Knotenhalfter mit Rope als Zügel. Bei der „echten“ Natural Hackamore ist das Seil etwa 7 Meter lang* – ein Teil sind die Zügel und der Rest wird als Leadrope am Sattel befestigt. Sie erinnert damit etwas an das Bosal, da das Rope* unter dem Kinn ins Knotenhalfter* geknotet wird und die Zügel damit nicht seitlich ansetzen. Da es aber nicht steif ist, entfällt die Hebelwirkung eines Rohhaut-Bosals.


Für den Projektwallach und mich war unsere Variante der natürliche Hackamore eine gute Lösung für das gebisslose Reiten: Ich habe das normale 3,7 Meter Rope zu Zügeln geknotet – ohne Leadrope-Teil. Für die PN ist sie dagegen deutlich zu scharf. Wenn ich da die Hände einfach stehen lasse, bremst der, als sei er in eine Betonwand gelaufen. Das wundert auch nicht, da das Knotenhalfter dünne Seile hat und die Zügel, das Rope, sie schon ordentlich beschweren.

Deswegen: Hört auf eure Pferde und lasst sie mitreden bei der Wahl der Zäumung. Was für das eine ganz wunderbar funktioniert, ist für das andere ein absolutes No-Go.


Gebisslos reiten mit Self-Made Bosal

Ein richtiges Bosal (ich habe noch ein gutes vom Projektwallach hier, aber das ist der PN zu klein) ist mir aktuell zu teuer und ich will auch den harten Hebel nicht, der Handfehler direkt an den Pferdekopf weitergibt.


Also habe ich experimentiert und eine bosalartige Zäumung aus Paracord selbst gebaut: Der Hanger ist ein Lederband, der Bosalteil ein umflochtenes Rope, die Mecate in klassischer Form im Fischgrät-Muster aus Paracord geflochten. So wollte ich die Wirkung eines Bosals, die eine Beizäumung so viel leichter macht als zum Beispiel ein Sidepull, erreichen, ohne seine materiell bedingte Härte. Durch das standhafte, aber noch nachgiebige Material kann ich außerdem mehr lateral einwirken. Zügelhilfen kommen sofort an und ich muss mir keine Gedanken über Druckstellen machen, da der Ring weich genug ist, um sich der Nase der PN anzupassen.

Die PN läuft sehr zufrieden damit und schlüpft breitwillig rein, sobald ich es ihm hinhalte.

Hier ein Video mit US-Horseman Ryan Rose zum Thema Bosal.

Hier ein Kursbericht zum Thema Jungpferd und Bosal.

Hier ein Artikel zum Thema Bosal von einer Expertin.

Und hier eine Übersicht zum Thema Gebissloses Reiten.

Feine Kommunikation mit dem Bosal: Geschichte, Wirkungsweise und Anwendung*
Das umfangreiche Buch zum Thema von Alfonso und Arien Aguilar.
Art of Hackamore Training: A Time-Honored Step in the Bridle-Horse Tradition*
Die Methoden, die hier beschrieben werden, sind nicht mehr unbedingt aktuell. Dennoch ein interessantes Stück Zeit- und Reitgeschichte.
Buck - Der wahre Pferdeflüsterer*
Buck - der Film. Mit zahlreichen Ausschnitten von Bosal und Spade Bit im Einsatz.

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guardianhorse.de

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