Vor ein paar Jahren waren es noch 100 Meter, heute sind es über 10 Kilometer: So lässt sich unsere Ausreitkarriere in wenigen Worten zusammenfassen.
Unser Märchenwald (unbewirtschaftet, traumhaft schön mit endlosen Sandwegen, verschlungenen Pfaden, sanften Steigungen) liegt in wenigen Kilometern Entfernung zum Stall. Und lange Zeit hielt ich es für ein Märchen, dass wir dort jemals ausreiten gehen würden.
Das Ausreiten langer Strecken war (und ist) für mich und auch für die PN ein echter Komfortzonen-Stretch.

Ausreiten gehen? Ach, äh, heut‘ ist eher schlecht
Ich hatte sehr viele gute Argumente, warum der jeweilige Tag zum Ausreiten einfach nicht geeignet war:
- 🍁 Auf dem Feld ist viel los: Radfahrer, Fußgänger, Traktoren, Reiter!
- 🍁 Mein Pferd ist äh „reizoffen“!
- 🍁 Ich bin überzeugter Platzreiter!
- 🍁 Es ist zu warm/zu kalt, es windet zu stark….und der Mond steht heut nicht im siebten Quadranten zum Saturn, das deutet auf Turbulenzen hin!
Irgendwann wurde für mich der Schmerz, nicht ausreiten zu gehen, aber größer als die Befürchtungen, was alles passieren könnte. Das war dann der Zeitpunkt, als ich unser Ausreitprojekt in Angriff nahm: also „Mission sicheres Geländepferd + souveräner Geländereiter“.
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Die reiterliche Vorbereitung fürs sichere Ausreiten findest du in meinem Buch: Natürlich gebisslos: Reiten mit klarer Kommunikation und durchdachten Hilfen*
Sicher ausreiten gehen – und zwar so

1. Gute Vorbereitung
Ausreiten gehen mit einem jungen oder unsicheren Pferd braucht Vorbereitung. Einfach losreiten und hoffen, dass man überleben wird, ist eine Strategie, aber keine besonders intelligente. Wir haben unsere Ausritte gezielt mit Spaziergängen vorbereitet und so Stück für Stück die Wege und das Gelände kennengelernt. Ich habe die PN dabei bewusst an einem langen Seil (das Lasso), so dass er vorgehen kann und führt. Das stärkt das Selbstvertrauen, da er mir dann nicht einfach hinterherdackeln kann, sondern vorausgeht und bei einer Gefahr potenziell zu erst gefressen wird. Spaziergänge haben den Charme, dass, wenn ihn mal der Mut verlässt, ich jederzeit die Führung übernehmen und er sich hinter mir verstecken kann. Die PN liebt Spaziergänge, unterwegs gibt’s Gras-Buffet to go – so ist draußen sein und weg vom Stall gleichzeitig noch positiv besetzt. Die Voraussetzung dafür ist, dass das Pferd real halfterführig ist, seinen Menschen nicht beliebig durch die Gegend zieht und sich nach Fresspausen vom Gras auch wieder abbringen lässt.
2. Solide Ausbildung
Am Anfang der Pferdeausbildung steht stets die Bodenarbeit. Auf der fußt dann die Ausbildung aus dem Sattel. Ich bin die PN erst ausgeritten, als ich genau lenken konnte, er auf meine Signale hin schneller wurde und ich ihn genauso gut zuverlässig anhalten konnte (genau genommen konnte er das schon eine Weile, bevor ich das Ausreitthema in Angriff nahm…). Je besser er ausgebildet ist, desto einfacher finde ich mental das Ausreiten, da die Kommunikation einfach schon weit fortgeschritten ist und das draußen sehr hilfreich ist. Reiterhilfen kommen draußen im Gelände schon mit etwas mehr Verzögerung, manchmal auch Widerstand durch. Die Ablenkung ist eben einfach groß und nicht immer sind das Gelände und der Boden so, dass das Pferd sofort reagieren kann. Dennoch weiß ich, dass die PN durch seine Ausbildung auf dem Reitplatz ansprechbar ist und bleibt. Aufsteigen können von beiden Seiten und von verschiedenen Objekten (für alle mit hohen Pferden) gehört für mich ebenfalls zur Grundausbildung des Pferdes. Ich will, wenn ich draußen absteige, um vielleicht an etwas Gruseligem vorbei zu führen oder mir einfach mal die Füße zu vertreten, auch wieder aufsteigen können, ohne dass für mein Pferd die Welt zusammenbricht. Manche Pferde verbinden das Absteigen des Reiters nämlich mit dem Ende der Session und sehen keine Notwendigkeit mehr, ihn wieder hochzulassen.
3. Passende Ausrüstung
Für mich ist es wichtig, das Pferd mit der gleichen Ausrüstung ausreiten zu gehen, mit der ich auch auf dem Platz reite: Westernsattel, Sidepull oder Bosal. Einfach, weil sich dann keine Kommunikationshindernisse aufbauen, da sich die Hilfen auf dem Platz genauso anfühlen wie draußen im Feld oder im Wald. Der Westernsattel hilft mir persönlich, weil ich einfach gut darin sitze – das gilt auch für spontane Sprünge nach links oder rechts, wenn sich die PN doch mal erschreckt.
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4. Aktiv reiten und entscheiden: Kommunikation aufrecht halten
Die PN ist kein Pferd zum Draufhocken, Losreiten und draußen die Seele baumeln lassen. Er braucht Management – sonst trifft er eigene Entscheidungen und die sind meistens nicht die weitsichtigsten. Das bedeutet, dass ich ein aktiver Reiter sein muss, kein passiver. Die Kommunikation muss fließen – und zwar ständig. So bleibt die Aufmerksamkeit bei mir und die PN weiß, dass er nicht allein entscheidet.
Bedeutet also, dass ich immer wieder Anfragen stelle: Kann er links und rechts im Genick nachgeben? Kann er langsamer gehen? Kann er anhalten? Kann er rückwärts gehen? Können wir um diesen Baum herumgehen statt wie immer geradeaus? Dabei spielt es eine Rolle, ob wir zum Beispiel links oder rechts um eine Pfütze oder durch sie hindurch gehen bzw. wer das entscheidet. Wenn mir mein Pferd bei solchen einfachen Anfragen schon mit Widerstand und Zögerlichkeit begegnet, sagt das nichts Gutes darüber aus, wie seine Reaktion ausfallen wird, wenn ich wirklich mal eingreifen muss, etwa um ihn an Killerbarken vorbeizuhelfen (siehe unten) oder einen Sprung zur Seite zu begrenzen.
Deswegen: Es ist mehr als ratsam, sicherstellen, dass das Pferd tut, was ich als Reiter verlange, wenn der Ausritt entspannt ist. Damit die Chancen steigen, dass es tut, was ich verlange, wenn es nicht mehr entspannt ist.
Bedeutet das, dass Ausreiten immer so kontrolletti sein wird? Nein. Auf PNs Vorgänger hätte ich mich rückwärts mit verbundenen Augen setzen können. Und auch die PN wächst immer mehr an seiner Aufgabe als Geländepferd. Oft komme ich von Ritten zurück und denke mir „das war jetzt entspannt, aber noch nicht entspannend.“ Immer öfter kann ich meine Gedanken schweifen lassen und bin nicht mehr jeden Moment mit voller Konzentration dabei. Ich kann der PN phasenweise die Verantwortung übertragen, für uns beide gute Entscheidungen zu treffen. Das musste er aber erst lernen (… und ich das mentale Loslassen).
Ich steige beim Ausreiten nach wie vor viel auf und ab. Manchmal, weil wir an einem gruseligen Hindernis geführt entspannter vorbeikommen und manchmal als Belohnung für die PN – gern auf dem Rückweg. Dann kann er grasen und ich muss nicht aufpassen, dass er sich angewöhnt abzutauchen und mir dabei die Zügel aus der Hand zu ziehen. Damit ist das Aufsteigen im Gelände für uns Routine geworden. Ich kann die PN überall parken und aufsitzen.
5. Ausgewählte Mitreiter
Mitreiter beim Ausreiten entscheiden über Erfolg und Misserfolg. Hast du bereits die Hosen voll und gehst dann noch mit einem Angsthasen ausreiten, werdet ihr wahrscheinlich nicht vom Hof kommen (es sei denn eure Pferde übernehmen für euch das Kommando und regeln das). Hast du die Hosen voll und reitest mit Ms. Werspäterbremstgaloppiertlängerschnell, wirst du deine Komfortzone schneller verlassen als mit einem Ferrari, die orangefarbenen Wachstumszone durchrauschen und dann dauerhaft in der roten Gefahrenzone landen. Du wirst dich und dein Pferd überfordern und die schlechte Erfahrung bleibt haften. Du brauchst also Mitreiter, die auf dich Rücksicht nehmen (so wie du auf sie Rücksicht nimmst), die sich an Absprachen halten und die ihre Pferde im Griff haben. Klingt einfach? Ist es nicht! Das fängt schon damit an, dass der andere dich zulabert, während du gerade deine volle Konzentration für den Pferd brauchst.
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Bei uns hat die gechillte Mitreiterin den Durchbruch für längere Strecken gebracht – mit ihr und ihrem geländeerfahrenen, von ihr selbst ausgebildeten Führpferd haben wir angefangen, den für unsere Verhältnisse echt ordentlich entfernten Wald zu erkunden. Phasenweise haben wir uns mit den Pferden im Wald getroffen, waren gemeinsam unterwegs und haben uns für den Rückweg wieder getrennt. Perfekte Übung fürs Pferd, um keine Klebentendenz zu entwickeln.
Und so kommt’s, dass wir heute weit weg von Zuhause, im fremden Gelände, am losen Zügel kilometerlang unserem Führpferd hinterher traben. Die PN komplett unbeeindruckt mit schönem Zug nach vorn und ich im siebten Reithimmel. Warum klappt das vermeintlich Schwierige beim ersten Anlauf? Weil alle kleinen Schritte dorthin pingeling abgearbeitet wurden und das Fundament stimmt.

Missglückte Ausreitversuche: die klassischen Probleme
Ein Plan lässt sich nicht linear in die Tat umsetzen und natürlich sind auch uns die gängigen Probleme beim Ausreiten begegnet.
Mein Pferd will nicht vom Stall weg
🕵🏼♀️ Die Ursache: Das Pferd fühlt sich am Stall mit seiner Herde im gewohnten Umfeld sicherer.
💡 Lösung: Vertrauen aufbauen und Gewöhnung. Ihr braucht eine klare Kommunikation – am einfachsten etablierst du die über Bodenarbeit. Du musst in die Führungsrolle reinwachsen (ja, einer muss die übernehmen und es sollte nicht dein Pferd sein). Starte mit Spaziergängen, verlängere die Schritt für Schritt und baue Graspausen ein. Dein Pferd versteht das Prinzip – und damit funktioniert das auch geritten. War bei uns auch so.
Mein Pferd bockt im höheren Tempo
🕵🏼♀️ Die Ursache: Das Pferd ist wahrscheinlich überfordert.
💡 Lösung: Erstmal die Situation retten, das Pferd durchparieren – mit dem One-Rein-Stopp. Luftholen. Den Ausritt zu Ende bringen – führend oder reitend. Und dann Ursachenforschung, um das Bocken in Zukunft zu verhindern. Vor ein paar Wochen ist uns genau das passiert. Die PN fiel auf dem Stoppelfeld von sich aus in Galopp und fing nach ein paar Sprüngen das Bocken an. Aber eben nicht aus dem Nichts. An dem Tag hatte er insgesamt eine hohe Anspannung, eine Freundin war mit ihrem Pferd zu Fuß dabei, das Pferd war ebenfalls knallig drauf. Es windete und – Skandal! – das gewohnte Umfeld hatte sich verändert. Wo früher freier Blick war, wuchsen auf einmal Maisfelder. Und statt Kornfeldern Stoppelacker mit gefährlichen Heu- und Strohballen in zufälligen Positionen. Das alles pushte die akute Bedrohungseinschätzung der PN auf ein dunkles Orange. Als dann noch das andere Pferd mit joggendem Menschen von hinten an ihm vorbei galoppierte, ich ihm erlaubte anzugaloppieren und damit die Energie weiter zu steigern, wusste er sich nur noch mit Bocken zu helfen. Ich löste das mit dem One-Rein-Stopp. Seitdem hat er nicht mehr gebockt – nicht in Gesellschaft, nicht im Galopp mit anderem Pferd. Eben weil das Setup ein anderes, besseres, war.
Mein Pferd springt unerwartet zur Seite
🕵🏼♀️ Die Ursache: Das Pferd misstraut seiner Umwelt.
💡 Lösung: Je mehr Routine dein Pferd beim Ausreiten bekommt, desto weniger werden krasse Sätze zur Seite. Die PN ist mittlerweile bei gurrend auffliegenden Tauben (sehr fies!) fast ein Profi – bei den Enten im Kanal wird’s wahrscheinlich noch etwas dauern. Als Fluchttier wird ein Pferd immer die Tendenz zum Wegspringen haben, manche mehr, manche weniger. Ganz weg kriegt man sie nicht, fürchte ich. Deswegen helfen hier ein guter Sattel oder ein guter Knieschluss.
Mein Pferd will an einem Hindernis nicht vorbei
🕵🏼♀️ Die Ursache: Angst und Skepsis vor meist neuen Umweltreizen
💡 Lösung: Du gibst die Richtung vor, dein Pferd den Zeitplan. Letztes Jahr standen hier Barken in regelmäßigen Abständen auf den Feldwegen und die PN witterte Todesgefahr. Gemeinerweise musste man zwischen ihnen durch und konnte nicht einfach eine riesige Schleife außenherum reiten. Wir stoppten also vor den Barken mit untertassengroßen Augen und Nüstern (der PN). Ich habe verhindert, dass er seitlich auswich (seine erste Idee) und seine Nase auf den Weg und zwischen die Barken ausgerichtet gehalten. Dann blieben wir stehen. Als Pferd, das schnell ungeduldig wird, fand die PN das nicht lustig. Zweite Idee: Rückwärts gehen. Das habe ich verstärkt und unterstützt – und zwar so lang, dass die PN das irgendwie auch nicht mehr gut fand. So hatten wir praktischerweise etwas Abstand zu den Killerbarken hergestellt – und damit war die PN wieder in der Lage nach vorn zu gehen, sich ihnen zu nähern und meine treibende Hilfe kam durch. Dann parkten wir wieder davor, ich machte wieder alle Ausweichwege zu und ließ ihn einfach stehen. Es dauerte vielleicht fünf bis zehn Minuten, bis die PN sich darauf einlassen konnte, dass Vorwärts vielleicht auch eine Idee ist. Er tastete sich einen Schritt vor, dann noch einen. An dem Punkt muss ich nicht mehr nach vorwärts fragen. Wenn er die Entscheidung getroffen hat, geht er. Und so passierten wird die Barken mittig ohne weitere Vorkommnisse. Seitdem sind wir Barken-Profis.
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Erfolgsfaktoren fürs sicheres Ausreiten

🐴🌳 Ich kann jederzeit absteigen: Die PN ist vom Boden sehr gut ausgebildet und ich weiß, dass ich ihn an allem vorbeiführen kann. Lammschlachter, LKW, Bus im Morgengrauen oder Autobahnunterführung. Wir kriegen das hin. Diese Sicherheit hilft mir ungemein. Denn wenn ich nicht an einer Sache vorbeireiten kann, dann führe ich eben. Problem gelöst.
🐴🌳 Wir waren von Anfang an allein unterwegs – zwangsläufig, da sich keine Begleitung ergeben hat. Die PN kennt es also, mit mir als einzigem Herdenmitglied draußen zu sein. Das hat den Charme, dass er nicht an einem Führpferd klebt und sich nicht ausschließlich an diesem orientiert.
🐴🌳 Unangenehme Gefühle aushalten: Je nachdem, wie du so drauf bist, wird das Ausreiten deine Komfortzone mehr oder weniger dehnen. Ich bin Team #perfektvorbereitetundalleEventualitätenimBlick. Auch der einen Seite erhöht das meine Sicherheit, da ich keine fahrlässigen Entscheidungen treffe. Auf der anderen Seite sinkt der Faktor Abenteuer auf Null – und mir entgehen spaßige Erfahrungen und Leichtigkeit, weil ich immer die volle Kontrolle behalten will. Hinzu kommt, dass ich dann potenzielle Gefahren wittere, wo gar keine sind und mir und meinem Pferd zu wenig zutraue. Das führt dann dazu, dass ich vor herausfordernden Situationen zu schnell kapituliere, auch, wenn sie leistbar gewesen wären. Zum Beispiel am Konglomerat Kuhherde – neu gefällte Baumstämme – Camper unter Bäumen ohne 20 Meter Sicherheitsabstand vorbeizureiten statt von vorneherein zu führen. Ich musste also lernen, mein Gefahrenbewusstsein zu kalibrieren (ok, ich lerne das immer noch), eine gewisse Unsicherheit und die damit eingehenden Gefühle (was, wenn…., es könnte aber xy passieren) auszuhalten, selbstbewusst die Richtung vorzugeben – und es ist noch immer gut gegangen.
🐴🌳 Die Mitte zwischen vorausschauend reiten und wir schaffen das: Das knüpft an den obigen Punkt an – man muss das Maß finden zwischen einer realistischen Gefahreneinschätzung, also ob Mensch und Pferd das in diesem Moment leisten können und der Zuversicht, eine Herausforderung anzugehen und zu bestehen. Es bringt nichts, von vorneherein das Handtuch zu werfen, in der Erwartung, es sowieso nicht hinzubekommen, weil dann Pferd und Mensch nie gemeinsam an einer Sache wachsen können und kein Selbstbewusstein entsteht. Es bringt aber auch nichts, sich blind in Situationen hineinzustürzen, die beide überfordern. Wie man die Mitte findet? Führe dir deine Ausreitkarriere vor Augen und prüfe deine eigene Disposition. Bist du Team Übervorsicht, hast du wahrscheinlich die Tendenz zu früh aufzugeben. Bist du Team Draufgänger, bringst du dein Pferd möglicherweise in Situationen, die es nicht so einfach meistern kann wie du.
🐴🌳 Rückschläge akzeptieren: Nicht jeder Ausritt ist toll und entspannt. Vielleicht ist es heute mühsamer, vom Stall wegzureiten, vielleicht wird es auf dem Heimweg schneller oder hat mehr Spannung als sonst. Das Gute: Das muss morgen nicht so sein. Dranbleiben ist die Devise.
🐴🌳 Ausreiten ist ein Lernprozess. Einfach ausreiten gehen funktioniert nur mit Pferden, die bombensicher sind. Alle anderen müssen es erst lernen. Deswegen ist Ausreiten genauso ein Projekt wie Seitengänge oder Galoppwechsel: Wir müssen es trainieren und das Pferd (und uns) darin schulen.
🐴🌳 Spaß haben: Die PN liebt die freie Fortbewegung und wenn er im Mindset ist, dass er höchstwahrscheinlich nicht sterben wird, dann ist er neugierig und erkundet gern. Wir haben eine Großbaustelle hier im Feld also als eine Art Extreme-Trail genutzt: Für den Schwerlastverkehr waren gefühlt alle Wege mit Metallplatten belegt. Wenn es nicht nass und rutschig war, nutzten wir das als Mutprobe: Die Metallplatten schallen, wenn ein Pferd darüber läuft, sie schwingen und wackeln. Perfekt, um Trittsicherheit und Nervenstärke zu trainieren. Im Wald selbst windet sich der schmale Weg um Bäume und manchmal sogar durch alte Baumstämme und unter niedrigen Ästen hindurch. Wurzeln und Untergründe wie Sand, Schotter und Gras erfordern, dass das Pferd auf seine Füße aufpasst und sich bewusst bewegt – eine echte Therapie für Exemplare wie meinen, der oft damit beschäftigt ist das Gefahrenpotenzial seiner Umgebung zu evaluieren. Wenn er sich auf seine Füße konzentrieren muss, bleiben keine Hirnzellen mehr übrig für den 360-Grad-Scan von Wald und Feld.

🐴🌳 Gras fressen lassen: Von Anfang an durfte die PN bei unseren Ausflügen Gras fressen – egal, ob beim Ausreiten oder beim Spazieren gehen. Das hat sich als brillante Idee erwiesen: Das Pferd versteht, dass es abseits des Stalls eine Belohnung gibt und sich der Weg lohnt. Grasfressen entspannt und es beugt dem Drang vor, schnell wieder nach Hause zurückzueilen, vor allem, wenn man auf dem Heimweg grast. Die Voraussetzung dafür: Das Pferd fühlt sich draußen sicher genug. Bei unseren längeren Ausritten konnte die PN im Wald anfangs gar nicht fressen, weil er zu aufgeregt war – sich selbst überlassen, suchte er nach dem Heimweg. Später erwachte dann das Interesse am Gras, aber über ein paar Happen kam er nicht raus, weil er dann wieder nach einem Ausweg Ausschau hielt. Mittlerweile kann er sich den Bauch vollschlagen und vollends im Grasfressen aufgehen.
🐴🌳 Die Erfahrung zu überleben: Ein Problem mit der Selbstsicherheit – sie wächst in der Regel nur dann, wenn man herausfordernde Situationen (was herausfordernd ist, ist individuell) gemeistert hat. Und herausfordernde Situationen sind nicht angenehm. Ich hatte es mehrfach, dass die PN mehrere Meter zur Seite gesprungen ist – mal gefühlt aus dem Nichts und mal mit Ansage, weil Enten aus dem Graben hochflogen oder Hasen aus der Hecke hoppelten. Er hat mich immer mitgenommen und er stand in der Regel schon, bevor ich überhaupt nach dem Zügel gegriffen habe. Das sind die Erfahrungen, die mir ein gutes Gefühl geben, da er bewiesen hat, dass er sich selbst regulieren kann und ich nicht beim leisesten Hüpfer im Sand lande.
🐴🌳 Nicht alles planen müssen: Ausreiten gehen bedeutet auch, mit Dingen konfrontiert zu werden, mit denen man nicht gerechnet hat. Beim ersten Ausritt im Wald stellte die PN fest, dass ich mich im Sattel viel mehr bewege als auf dem Platz, weil ich ständig damit beschäftigt bin, Ästen auszuweichen und dabei meinen Schwerpunkt und das Gewicht in den Bügeln stark verlagere. Ich stellte fest, dass er am langen Zügel beschleunigt, wenn es hoch und runtergeht – auch dann, wenn ich einen Ast im Gesicht habe. War trotzdem lustig.
🐴🌳 Vertrauensvorschuss: Ausreiten ist fürs Pferd nur dann entspannend, wenn es nicht dauerhaft am anstehenden Zügel geritten wird. Wenn es den Kopf frei hat, um sich den Weg zu bahnen und seine Balance zu finden, wenn es sich dehnen und abschnauben kann. Wir Reiter müssen deswegen auch mal loslassen.

Hier geht’s ums sichere Auf- und Absteigen vom Westernsattel
Was tun, wenn das Pferd unberechenbar ist?
Hier geht’s ums entspannte Spazierengehen mit dem Pferd
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Die reiterliche Ausbildung, mit der ich die PN geländesicher gemacht habe, beschreibe ich in meinem Buch „Natürlich gebisslos – Reiten mit klarer Kommunikation und durchdachten Hilfen“*
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