Lasst die Angst zu

Als ich vor gefühlten 20 Jahren mit dem Reiten anfing, hieß es: „Geh nicht zu dicht hinten dran vorbei, es kann austreten“. Oder „renne nicht durch die Stallgasse, die Pferde können sich erschrecken“. Und dann wunderten wir uns, wenn die Pferde beim Turnier Beruhigungstropfen brauchten und trotzdem mit uns Amok liefen.  
Vorbeugung und Vorsicht hilft unseren Pferden nicht, mit Situationen und Reizen umzugehen, vor denen es Angst hat. Je stärker wir vermeiden, dem Pferd diesen Stimuli auszusetzen – seien es Plastiktüten oder Regenschirme – desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Angst bekommt, wenn es sich diesen tatsächlich mal gegenüber sieht. Deswegen ist es ratsamer, das Pferd vorzubereiten und zu unterstützen, so dass es seine Angst überwinden kann. 
Vor Jahren habe ich an einem Seminar mit Dave Ellis teilgenommen. Er sattelte ein junges Pferd – ohne den Sattel heimlich und leise auf seinen Rücken zu schieben und ohne die Steigbügel festzubinden, damit es sich nicht erschreckt. Er hat das Pferd dieser Situation ausgesetzt, und ja, das Pferd hatte Angst. „Jemand hat dieses Pferd angelogen“, sagte er. „Hat ihm glauben gemacht, dass ein Sattel sich nicht bewegt, keine Steigbügel hat.“ Er hat dem Pferd gezeigt, wie es wirklich ist, und dass es trotzdem nicht sterben wird.
Unsere Pferde dürfen auch mal Angst haben, manchmal müssen wir diese Angst sogar verursachen, so dass sie lernen können, wie sie damit umgehen können. 

 


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