Ich hatte lange Zeit das Problem des schlagenden Schweifs (und schlimmstenfalls angelegter Ohren) beim Antraben und Angaloppieren (vom Sattel aus). Das hat erst aufgehört, als ich damit angefangen habe, meine Hilfen zu verändern. Wenn wir immer das Gleiche tun, erhalten wir auch immer das gleiche Ergebnis.
Meinem Projektpferd hat es geholfen, nicht mit Schenkeldruck in die höhere Gangart getrieben, gequetscht oder gedrückt zu werden. Ich habe mich zwar bemüht, wenn er gehorsam reagiert hat, den Druck gleich wieder rauszunehmen, aber das war nicht genug beziehungsweise immer noch genug, um eine verärgerte Reaktion beim Pferd zu provozieren.
Die Lösung für uns war, auf „Energiehilfen“ umzustellen. Das Konzept kommt von Pat und Linda Parelli. Statt einfach zu sitzen und mit den Beinen Druck zu machen, lehren sie, die Energie im Körper zu transportieren, die man sich im Pferd wünscht. Also auch der Mensch bewegt sich im Sattel mit – damit ist aber kein (!) Schieben in der Hüfte mit klemmenden Knien oder dieses lästige Sattelauswischen gemeint.
Ich imitiere etwa fürs Antraben eine Laufbewegung im Oberkörper und den Hüften und tue so, als wollte ich joggen. Anfangs sieht das witzig bis dämlich aus, da das Pferd nicht genau weiß, wie es auf den zappelnden Reiter da oben im Sattel reagieren soll. Die Energiehilfe wird final (aber erst zu allerletzt) mit den Schenkeln verstärkt, und spätestens dann kommt beim Pferd an, dass es hier um schnellere Geschwindigkeit geht. Es dauert nicht lange, und das Pferd versteht, dass mehr Energie im Sattel die Aufforderung für mehr Tempo ist. Dann reduziert sich das Gezappel im Sattel, das Pferd fängt an die Gedanken zu lesen und springt schon mit der ersten Idee von Trab an.
So geschehen mit meinem Projektpferd, das nicht die Bewegungsfreude vor dem Herrn ist, sich aber sehr gut mit dieser Form der Kommunikation arrangiert. Er ist dadurch sehr willig im Vorwärts geworden, und aus mehreren Metern Trabübergang sind Zentimeter (manchmal sogar Millimeter) geworden, aus lautstarken Schenkelhilfen eine unsichtbare Übertragung meiner Intention.
Ein Sprung in den Galopp
Der Übergang zum Galopp klappt noch nicht so reibungslos. Im Trab ist das Schweifschlagen zu gut 90 Prozent (vielleicht sogar 95) eliminiert, würde ich sagen, im Galopp liegen wir noch bei 50 Prozent (weil ich noch nicht konstant genug bin und nicht immer den passenden Moment in der Fußfolge erwische). Hier ist die Bewegung, die der Reiter ausführt, allerdings kein Joggen mit einem Auf und Ab und Vor und Zurück der Schultern.
Der Sitz im Galopp nach Horsemanship-Prinzipien: Die Hüfte folgt der Aufwärtsbewegung der Pferdeschulter. Von der Seite gesehen beschreibt sie einen Kreis gegen den Uhrzeigersinn. Zeichnung: Nadja |
Vielmehr imitiert man die Sprungbewegung im Galopp. Man hebt also seine innere Schulter mit dem inneren Vorderbein des Pferdes, die äußere Schulter bleibt etwas weiter hinten. Außerdem wischt man nicht den Sattel aus (mit dem Ergebnis, immer wieder hinein zu plumpsen), sondern vollführt mit Hüfte und Körper eine Kreisbewegung – das Gegenteil vom Auswischen, dann dort bewegt sich die Hüfte beim Kontakt mit dem Sattel von hinten nach vorn. Wir heben uns also an, wenn das Pferd die Vorhand anhebt, und senken uns, wenn es die Vorhand senkt. So in etwa, wie wenn wir als Kinder Pferd gespielt und mit einem Arm das innere Vorderbein des Pferdes für den Galopp auf der richtigen Hand imitiert haben.
Der Sitz, wie er oft gelehrt wird: Die Hüfte läuft entgegen der Bewegung der Pferdeschulter. Von der Seite beschreibt sie einen Kreis im Uhrzeigersinn. Zeichnung: Nadja |
Auch auf diese Sprungbewegung im Körper folgen final die Beine als Hilfen, wenn das Pferd nicht reagiert. Wichtig ist auch, sich nicht nach vorn und innen zu setzen (also das Gegenteil von dem zu machen, was die Dressur lehrt), sondern nach hinten außen. Ich finde das sehr plausibel, da man dem Pferd den Weg freimacht für die Vorhand, die nach oben anspringt.
Mit der Zeit stellt sich auch hier eine Gedankenübertragung ein. Wir sind noch nicht konstant da, wo es immer funktioniert, aber immer wieder hebe ich zum Angaloppieren meinen Körper (ich mache mich gerader und rolle die innere Hüfte nach vorn oben) und merke, wie das Pferd den Raum unter mir ausfüllt und anspringt. Ohne Beinhilfen. Wenn ich das erreichen kann – und das kann ich – will ich nie wieder anders reiten müssen.
Dieses Konzept des Ausfüllens ist mir im Sommer auch bei einem Kurs mit Christopher Dahlgren (den ich wärmstens empfehlen kann) begegnet. Er sagt, dass er seine weiter ausgebildeten Pferde ebenfalls so reitet, dass er nicht Druck macht, wo das Pferd nicht hinsoll, sondern da aufmacht, wo es hinsoll. Das Pferd füllt also jenen Raum auf, den er freigibt, und übersetzt ins Horsemanship ist es die Release, die hier das Pferd veranlasst, zu reagieren, nicht der Druck. Auch Leslie Desmond arbeitet in einer ähnlichen Weise, sie treibt ihre Pferde nicht ins Vorwärts, sondern entlässt sie dort hinein. Ich finde das zwar ein sehr komplexes Konzept, aber langsam fange ich an, es zu verstehen.
PS: Natürlich ist die Energiehilfe genauso antrainiert wie der Schenkeldruck. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass sie leicht zu lesen ist und keinen Widerstand hervorruft, da man auch im Übergang in Harmonie bleibt.
PPS: Mehr zu einer anderen Form der Hilfengebung findet ihr hier und hier.
Das liest sich doch gut. Meine Pferdekollegen und ich sind immer froh, wenn nicht nach Schema "F" vorgegangen wird. Ich werds meiner Besitzerin auch mal vorschlagen. Außerdem sieht es bestimmt lustig aus, wenn die Frau, das alte Steifftier, so lässig Tschakka-Lakka mit der Hüfte macht 😉
Hehe, schlag der Frau mal vor zu Hiphop tanzen zu gehen (oder zu Salsa, wenn sie es heißblütiger mag). Das macht auch die steifste Hüfte geschmeidig. Und wenn ihr dann auch noch zuschauen könntet, hätten alle was davon 🙂
Das liest sich spannend und ich musste selbst lachen, als ich mich dabei ertappt habe, wie ich auf dem Sofa versucht habe die Bewegung nachzumachen und nicht den Sattel "auszuwischen". Ich muss das mal in der Realität ausprobieren, ich fürchte nur, dass ich mit dem "joggen" warten muss, bis das eigene Pferdchen da ist, weil die Reitschulpferde und der Reitlehrer mir vermutlich nicht die Zeit geben werden das ausführlichste auszuprobieren. Dieses Thema mit der Energie erinnert mich an den Kurs bei Mark Rashid. Er selbst sagt, dass er daran arbeitet die Pferde ohne Schenkel- oder Zügelhilfen zu reiten, allein durch seine Gedanken und die positive Einstimmung auf das was kommt. Also stellt er sich den perfekten dynamischen Trab vor, wie er sein Pferd antrabt und dann fällt die Hilfe so minimal aus, dass sie wie ein Impuls kommt und nicht wie eine bewusst gegebene Hilfe. Sehr spannend! Auch wenn es Zeit kostet, aber ich glaube, dass Du etwas ähnlichem auf der Spur bist – toll!!! Alles Liebe, Petra P.S.: Tolle Seite hast Du!
Danke für deinen Kommentar und das Kompliment! Ich glaube ja, dass unsere Gedanken sich in Kleinstform auf unseren Körper auswirken. Das spürt das Pferd und wenn es willig und gut vorbereitet ist, nimmt es das auf und reagiert entsprechend. Ich versuche auch, das Atmen einzusetzen (also Ausatmen für Übergange nach unten, Einatmen für solche nach oben). Nach unten klappt's, nach oben noch nicht 🙂 Irgendwie macht das ja auch den Reiz aus, unser Zusammensein mit Pferden als Weg und nicht als Ziel zu begreifen. Dann kann man sich an den kleinen Verbesserungen freuen, statt daran zu verzweifeln, das große Ganze einfach nicht greifen zu können. Ich würde Mark Rashid voll gern mal live erleben. Ich mag seinen Blog und die Bücher, und er bringt immer wieder einen neuen Dreh hinein. VG!
Liebe Nadja,
diesen Post wollte ich schon die ganze Zeit kommentieren, weil ich ihn so toll finde. Aber bei mir ging's die letzten zwei Wochen drunter und drüber. Egal, jetzt komme ich ja endlich dazu. Ich finde das Konzept (die Konzepte?) der Energie-Hilfen auf wahnsinnig spannend und ich merke bei der Bodenarbeit (egal ob Horsemanship oder klassisch) immer wieder wie wirksam und fein man mit Energie sein kann. Ich bin auch Deiner Meinung, dass sich unsere Gedanken und unsere Energie auf unseren Körper übertragen und das Pferde dies dann aufnimmt. Bisher konnte ich das nur auf dem Boden so richtig umsetzen, aber ich möchte es auch gerne auf den Sattel übertragen. Mit meiner ehemaligen Reitbeteiligung hat das manchmal auch schon fast geklappt. An guten Tagen hat er tatsächlich schon meine Gedanken umgesetzt (zumindest in Schritt und Trab). Das war ein wahnsinniges Gefühl! Mit meiner neuen Reitbeteiligung fange ich jetzt nochmal von vorne an. Aber da sie am Boden schon sehr fein reagiert und zum Beispiel aus jeder Gangart allein durch Ausatmen anhält, bin ich guter Dinge, dass wir uns schnell einspielen werden. Allerdings habe ich bisher alles eher nach Gefühl gemacht und im Galopp hat das auch mit meiner ehemaligen Reitbeteiligung noch nicht geklappt. Deshalb freue ich mich total über diese super Beschreibung! Vielen Dank! 🙂