"Geh jetzt. Du nervst!"

Die letzten Tage bei den Pferden waren für mich etwas zwiespältig. Gerade mein introvertiertes Projektpferd lässt mich immer sehr deutlich wissen, was es gerade von mir hält. Seine jüngste Einschätzung: „Geh weg. Du bist mir zu anstrengend. Gib mir was zu fressen. Bring mich auf die Koppel. Du kannst jetzt gehen.“ 


Und recht hat er. Ich war meiner Sache nicht ganz sicher und emotional angegriffen, am Zweifeln – und schon will er mich nicht in seiner Gegenwart haben. Kommt nicht her, sucht keine Interaktion, wendet den Kopf ab, schaut weg. Als wolle er mir vermitteln, dass ich besser wieder komme, wenn ich mich wieder im Griff habe. Dass ich ihn nicht mit meinem Ballast behelligen soll, den er nicht verstehen kann. Dass er jemanden braucht, auf den er sich verlassen kann, und nicht jemanden, der irgendwelchen Launen unterworfen ist und dessen Prioritäten ständig schwanken. Manchmal sind wir gut beraten, der Einschätzung unserer Pferde zu vertrauen, wenn es um unseren Gemütszustand geht. Sie werden uns ehrlich und direkt reflektieren.
Wenn ich also in so einem Tal sitze und es auch im Stall nicht ausblenden kann, ist manchmal schon das Pferd von der Koppel zu holen, zu füttern und zurückzubringen zu viel. Nicht, weil wir uns in Lebensgefahr bringen. Sondern weil die Qualität des Zusammenseins leidet. Weil ich in den paar Minuten unterwegs seinen Bedürfnissen nicht gerecht werde und damit kaputt mache, was ich zuvor mühsam aufgebaut habe. Da einfach weg bleiben keine Option ist – schließlich hat man Verantwortung übernommen – versuche ich in einem solchen Falle ihm einfach nur Gesellschaft zu leisten. Futter bringen, dazu setzen, nichts verlangen, keine Verantwortung übernehmen. Wo keine Erwartung ist, entsteht kein Druck.

Emotionen und Pferdetraining sind ein komplexes Thema. Schaut man zu den Vätern des Horsemanship, findet man Pokerfaces. Der stoische Cowboy hat seine Emotionen komplett unter Kontrolle, er zeigt weder Ärger noch übermäßige Freude. Andere Trainingsströmungen empfehlen, positive Gefühle zum Ausdruck zu bringen, Freude oder Stolz auf eine Leistung des Pferdes, um es damit zu belohnen. 

Ehrlich, ich bin mir nicht ganz sicher, welcher Ansatz der schlüssigere ist. Vielleicht variiert es von Pferd zu Pferd. Einig werden kann man sich bestimmt darin, dass negative Emotionen beim Pferd ausgelebt zu nichts Gutem führen. 

Nach der jüngsten Abfuhr vom Pferd habe ich mir vorgenommen, die folgenden beiden Dinge zu verbessern:

  • Schlechte Emotionen beim Pferd (komplett) ausblenden können
  • Die Reaktion des Pferdes nicht bewerten, sondern als Wahrheit akzeptieren.
Einen weiteren Post zu emotionalen Fitness findet ihr hier.

Was sind eure Erfahrungen mit Pferden und Emotionen?

Teile diesen Beitrag!

8 Kommentare

  1. Oh, das kann ich so gut nachvollziehen! Meine frühere Reitbeteiligung war genauso. Er ist laut Parelli ein ziemlich ausgeprägter LBI und macht sehr deutlich was er im jeweiligen Augenblick von einem hält. Die schönsten Zeiten hatten wir, wenn ich ausgeglichen in den Stall gekommen bin und ihm ein entsprechend starker Partner sein konnte. Die blödesten (inklusive weglaufen beim Einfangen…), wenn ich Probleme von der Arbeit direkt in den Stall geschleppt habe. Und selbst bei meinem von Grund auf positiven Soudi merke ich enorme Unterschiede, die sich 1:1 auf meinen Gemütszustand übertragen lassen. Wenn er merkt, dass ich im Stress bin interessiere ich ihn nicht besonders. Wenn ich mit viel Zeit und voller Freude zu ihm auf die Weide komme, dann weicht er mir nicht von der Seite… Das war für mich auch eine wichtige Erkenntnis. Ich entspanne mich zwar, wenn ich in den Stall komme, aber ich kann meine Probleme auch nicht bei den Pferden "abladen". Wenn ich so drauf bin, dann muss ich mich unter Kontrolle haben und darf von uns beiden nicht zu viel verlangen. Ich habe auch für mich festgestellt, dass in solchen Situationen eigentlich nur stilles Beisammensein Sinn macht.
    Auf jeden Fall sollten wir negative Emotionen nicht zu unseren Pferden dringen lassen, da gebe ich Dir vollkommen recht. Bei positiven Gefühlen sehe ich das anders. Ich glaube, dass positive Gefühle in jedem Ausbildungsweg Platz haben. Die Pferde spiegeln die Freude (wie alle anderen Gefühle auch) und das allein spricht für mich schon ganz entschieden dafür. 🙂 LG, Sophie
    __________________________________________
    http://www.chevalie.de

    • Ich bin mir immer nicht sicher, wie weit Emotionen im Pferd gehen. Ich denke schon, dass sie anders ticken als wir – was natürlich nicht bedeutet, dass sie keine Gefühle haben. Aber dass sie einige von unseren vielleicht nicht kennen. Stolz etwa. Ich weiß nicht, in wie weit der im natürlichen Zusammensein von Pferden eine Funktion erfüllen würde und von daher glaube ich, dass Pferde nicht stolz sein können (da das ja auch die Reflektion und Bewertung der eigenen Leistung bedeutet würde). Mark Rashid schreibt in seinem Blog (http://consideringthehorse.wordpress.com/2014/04/29/a-matter-of-respect/), dass sogar Respekt keine Kategorie ist, in der Pferde denken – er argumentiert wissenschaftlich mit Aktivität in gewissen Hirnregionen.
      Bei der Freude ist es auch so ein Ding. Wenn der Friese auf der Koppel angestürmt kommt (und das tut er fast immer), dann weiß ich nicht, ob er sich freut oder ob er einfach mit etwas bestimmten rechnet (Futter und Bespaßung), also eine Erwartung zum Ausdruck bringt. Kennst du das Lexikon der Pferdesprache (http://www.amazon.de/Pferdesprache-Ausdrucksverhalten-innerartliches-Sozialverhalten-Kommunikation/dp/3800159597/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1402582944&sr=8-1&keywords=lexikon+der+pferdesprache)? Dort ist kein Ausdrucksverhalten für Freude vorgesehen. Vielleicht bin ich aber auch nur verwirrt und grüble über Selbstverständlichkeiten 🙂 VG!

  2. Ja, das Lexikon kenne ich auch und jetzt wo Du es sagst…war mir noch gar nicht aufgefallen! Ich glaube auch nicht, dass Du verwirrt bist. 😉 Die Grübelei scheint mir sehr berechtigt. Vielleicht hast Du Recht und der Freude-Begriff wie wir ihn verstehen ist den Pferden tatsächlich fremd. Und so etwas komplexes wie Stolz oder Respekt würde ich einem Pferd auch ohnehin nicht zuschreiben. Von dem freudigen Pferd würde ich mich aber nicht so leicht verabschieden wollen. Denn ich glaube, dass es an der Begriffsinterpretation liegt, wenn wir Probleme haben Pferden Freude zuzuschreiben. Wenn ich mein Pferd beobachte, dann kann ich eins ganz sicher sagen: Er unterscheidet zumindest zwischen positiv und negativ. Was hinter diesem positiv oder negativ steckt, das können wir dagegen natürlich nicht sagen. Es kann sehr gut sein, dass er sich nicht – wie wir Menschen im Idealfall – einfach freut mich zu sehen, sondern ganz schlicht positiv gestimmt ist, weil mein Kommen Leckerli und Entertainment bedeuten. Wahrscheinlich stimmt das sogar so. Aber das reicht mir eigentlich auch. Was ich möchte und was mich glücklich macht ist, wenn ich merke, dass mein Pferd mit mir Positives verbindet und mir ebenso begegnet. Aber der Begriff "Freude" ist wahrscheinlich wirklich irreführend, weil er eine Art von Bewusstsein voraussetzt das Pferde vielleicht nicht haben und für uns mit bestimmten Erwartungen verknüpft ist. Vielleicht sollte man nur von den pferdischen Kategorien "positiv" und "negativ" ausgehen. Würdest Du dem zustimmen, oder hättest Du da auch Bedenken? Sorry für den langen Text, das passiert wenn ich beim Schreiben denke… ;D

  3. Positiv und negativ ist auf jeden Fall wasserdicht! Und wir sind schließlich keine Verhaltenswissenschaftler (wobei ich gerade bei wissenschaftlichen Argumenten auch vorsichtig bin. Schließlich kann man jeden Versuch so aufbauen, dass genau das bei rauskommt, was man beabsichtig hat. Wozu es wiederum eine Wissenschaft gibt (Dan Ariely hat spannende Bücher dazu geschrieben)). Ich freue mich über deine langen Kommentare! Ruhig her damit 🙂 VG!

  4. Wow, war für eine tiefgründige Diskussion! Bin ganz eingetaucht. Ich dachte auch immer, dass mein Pferd Gefühle spiegelt und mehr nicht. Aber es geht auch anders: ich hatte gestern einen richtig miesen Tag. Die Laune wurde selbst im Stall nicht besser, ich fühlte mich sowohl körperlich als auch vom Kopf her einfach mies. So ein richtiger Mist-Tag. Ich war mir sicher, dass meine Stute Suri das nicht mitmacht. Trotzdem wollte ich sie bewegen, weil ich Zeit hatte (und das kommt nicht so häufig vor). Da ich mich in der Stimmung nicht auf sie schwingen wollte entschied ich mich für einen Spaziergang. An der Koppel angekommen habe ich mit Ablehnung gerechnet. Aber das Gegenteil war der Fall: Suri kam sofort zu mir, schlüpfte ins Halfter und wollte bei mir sein. Sie hat gemeinsam mit mir die Koppel verlassen, frei ohne Seil. Unser Putzen war ausgiebig, und ich habe viele Insektenstiche entdeckt und auch ein Fuß mit Grasmilben, die meine Laune noch verschlechtert haben. Nach der Versorgung der "schlimmen Stellen" sind wir dann los. Suri war die ganze Zeit bei mir, hat sich bewegen lassen, war völlig entspannt. Sie hat meine Anspannung gelöst, sie war mein Gegenpol. Ich hätte nie erwartet, dass so etwas möglich ist. Ich weiß, dass sie meine Laune erkannt hat – und sie hat gegengesteuert. Das ist mir noch nie passiert. Kennt ihr das?

    • Hallo und danke für den Kommentar. Das muss eine klasse Erfahrung gewesen sein, die ich so (leider) noch nie erlebt habe. Ich kenne sie zum einen in der gegenteiligen Ausprägung: Dann verstärkt das Pferd meinen Ärger eher noch durch sein Verhalten (etwa, indem er fauler ist als sonst oder sich mehr bitten lässt) und ich frage mich, ob er das absichtlich macht, um mir meine Launen vor Augen zu führen. Und dann frage ich mich, ob er zu so einem Verhalten überhaupt fähig ist 🙂 Was ich dagegen gut kenne, ist dass er sich von meinen Bedenken nicht anstecken lässt. In Situationen, die mir nicht so geheuer sind und ich mich beherrschen muss, ist er die coolste Socke vor dem Herrn. So in etwa, als würde er die Verantwortung für mich übernehmen. Manchmal klappt's auch anders rum. Da waren wir auf einem Seminar und er sehr besorgt. Und ich konnte ihm verständlich machen, dass alles im grünen Bereich ist. Das hat mich sehr glücklich gemacht, seinerzeit. VG! Nadja

  5. Ja, es war wirklich eine tolle Erfahrung. Für mich war es auch das erste Mal! Ich denke, es liegt daran dass sie eine Stute ist. Die sind einfach anders, und können äußerst sozial auch zu uns Menschen sein. Vorher hatte ich einen Wallach, daher kannte ich das auch nicht. Einfach wunderbar! Das gegenseitige Verantwortung-übernehmen kenne ich auch. Immer wieder schön, wenn man so etwas mit seinem Pferd erleben darf!

    • Das ist interessant mit dem Unterschied Stuten-Wallache. Mein Fokus lag bisher immer auf Wallachen, wäre bestimmt spannend da mal eine Geschlechterstudie draus zu machen.

Kommentare sind geschlossen