Rauf aufs Pferd – das Aufsteigen

(aktualisiert am 21.11.2019)

Aufsteigen könnte so einfach sein. Doch kennt ihr das: Ihr positioniert euer Pferd am Aufsteigeblock, und sobald ihr den Fuß in den Steigbügel setzt, läuft es los?

Oder: Ihr wollt aufsteigen, euer Pferd folgt auch brav zur Aufsteighilfe, doch sobald ihr darauf steht, macht es elegant einen Schritt zur Seite, so dass ihr nicht mehr an den Steigbügel kommt?

Oder: Euer Pferd weiß, dass ihr von der Aufsteighilfe auf seinen Rücken wollt und macht deswegen einen großen Bogen darum? Weigert sich, in ihre Nähe zu gehen?

Das ist vor allem erstmal eines: frustrierend. Wer will schon einen Kampf mit dem Pferd ausfechten, bevor er überhaupt aufgestiegen ist? Eine denkbar schlechte Vorbereitung fürs Reiten – was meistens dann ebenfalls mit Meinungsverschiedenheiten und Diskussionen einher geht.

Ein Pferd, das zum Aufsteigen einparkt: perfekt!
Ein Pferd, das am Aufsteigeblock einparkt. Besser wird’s nicht. Foto: Nadja

Warum verhält sich das Pferd beim Aufsteigen so?

Weil es nicht geritten werden will? Schon möglich. Ich glaube aber, dass die Ursache anderswo liegen kann: 

1. Wir stressen unsere Pferde 

Häufig stressen wir uns und das Pferd beim Aufsteigen. Der ganze Prozess wird zu einer unangenehmen Angelegenheit für beide: Wir befehlen dem Pferd, endlich mal stillzustehen, dann brauchen wir jemanden, der es festhält. Wir drücken uns am Steigbügel ab, ziehen den Sattel zu uns rüber und bohren dem Pferd dabei noch die Stiefelspitze in die Rippen. Es läuft los, wir bleiben mit dem anderen Bein an der Kruppe hängen. Wir zappeln schräg über dem Widerrist und kämpfen um unser Gleichgewicht. Dann plumpsen wir in den Sattel und ziehen hart am Zügel.

Oder: Das Pferd bleibt vor lauter Gezappel an der Aufsteighilfe hängen, erschreckt sich erst recht und stürmt nach vorn. Mit unsrer Ungeschicklichkeit und Ungeduld machen wir dem Pferd das Aufsteigen unangenehm – mit dem Ergebnis, dass das Pferd entweder versucht, dem komplett zu entgehen, indem es uns nicht aufsteigen lässt. Oder es versucht, den Prozess zu beschleunigen, indem es losläuft, bevor wir es dazu auffordern. Schnell weg von der Aufsteig-Ecke.

2. Missverständnis

Dann gibt es noch die grundsätzliche Missverständnis-Variante: Wenn Pferde schlecht oder gar nicht auf das Aufsteigen vorbereitet sind, kann es passieren, dass sie dem Menschen, der da an ihrer Seite hängt, ausweichen. Der zieht seinen Fuß dann aus dem Steigbügel und versucht, sein Pferd wieder zum Stehen zu bringen. Das kommt beim Pferd häufig als Belohnung an: Sobald es sich bewegt und ausweicht, lässt der Mensch vom Aufsteigen ab. Der Druck geht weg, und das Pferd lernt, dass es sich nur wegbewegen muss, um den Menschen loszuwerden. Oder es denkt, der Mensch will, dass es sich bewegt.

Die Vorbereitung zum Aufsteigen kann auch am Seil und Knotenhalfter erfolgen.
Wenn das Pferd Probleme mit dem Block hat, ist es geschickt, anfangs mit einem Seil zu arbeiten. So zieht man ihm nicht im Maul herum
und kann bessere Signale geben als mit den Zügeln. Foto: Nadja

Was kann man dagegen tun?

Wie bleibt das Pferd beim Aufsteigen stehen?

Voraussetzung für den Erfolg sind folgende: Zum einen soll das Pferd stillstehen können, ohne festgehalten zu werden – und das nicht nur beim Aufsteigen. Außerdem sollte das Pferd Druck weichen können und willig mitkommen, wenn du das Führseil annimst. 

Der Block

Für Pferde macht es einen Unterschied, ob sich der Mensch auf dem Boden neben dran bewegt oder ob er höher auf einem Aufsteigeblock steht. Was vom Boden einwandfrei klappt, kann aus dieser Position schon problematisch sein.

Da hilft es, sich erst mal das Stehenbleiben am Block aus der erhöhten Position heraus zu erarbeiten und das Aufsteigen hintenanzustellen. Holt das Pferd heran und versucht es, über eure Seilführung so anzuleiten, dass es parallel zu euch zum Stehen kommt. Dafür ist es wichtig, dass das Pferd gelernt hat, dem Seil zu folgen.

Das Einparken

Hilfreich ist es auch, dem Pferd beizubringen den Hintern auf euch zuzubewegen, um einzuparken (ich verwende die Kruppeherein-Hilfe): Ihr tickt von oben mit der Gerte auf die euch abgewandte Seite des Pferdehinterns (schließlich wollt ihr das äußere Hinterbein zum Herübertreten auffordern). Haltet den Rhythmus und intensiviert die Stärke, wenn euer Pferd nicht reagiert. Das Pferd wird anfangen sich zu bewegen – dann haltet die Stärke, mit der ihr tickt, aufrecht. Ihr hört dann mit der Hilfe auf (und zwar sofort), wenn das Pferd in die richtige Richtung unterwegs ist. Habt Geduld. Anfangs wird das Pferd wahrscheinlich von euch wegdrehen. Experimentiert auch mit der Pferdeschulter: Vielen Pferden hilft es, wenn ihr Hals und Schulter von euch wegschiebt. Dann kann der Hintern leichter herumkommen.

Ratsam für das Arbeiten auf dem Block ist, dass das Pferd die Hilfe von unten schon gelernt hat. Etabliert sie vom Boden aus und verlagert sie dann auf den Aufsteigeblock. Später reicht ein Zeichen der Gerte oder ein erhobener Arm aus, und das Pferd platziert sich zum Aufsteigen und holt euch ab.  


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Kommunikation an der Aufsteighilfe

Parkt das Pferd elegant am Block ein, ist das nicht nur praktisch, weil ihr gut aufsitzen könnt. Ihr formt zusätzlich das Verhalten des Pferdes am Aufsteigeblock nach euren Wünschen und haltet die Kommunikation aufrecht. Das Pferd fängt an mit- und nicht vom Block wegzudenken. Dazu trägt ebenfalls bei, die Seiten beim Aufsteigen zu wechseln. Mal von links, mal von rechts. Das wird euch die Aufmerksamkeit des Pferdes erhalten und verbessert eure Koordination.

Erst mal stehen bleiben statt gleich loszureiten

Wenn ihr aufgesessen seid, gebt nicht gleich die Hilfe zum Losgehen. Wartet noch etwas am Block. Das Pferd weiß, dass es gleich losgeht und wird das gern vorausnehmen. Also lasst es noch etwas stehen, oder verlangt, dass es den Hals biegt, im Genick nachgibt, ein paar Schritte rückwärts macht oder eine Vorhand-Wendung. Das Pferd soll raten, was als Nächstes kommt, sich auf euch konzentrieren und warten. Das erreicht ihr, indem ihr nicht immer sofort in die gleiche Richtung loszuckelt, sondern Abwechslung hinein bringt.

Der Aufsteigeblock als „Sweet Spot“

Wichtig ist wie immer die Pause. Belohnt mit Pause die kleinsten Versuche eures Pferdes. Und wenn es tatsächlich eingeparkt hat, gönnt ihm wieder etwas Zeit, einfach nur am Block zu stehen. Schließlich soll das Pferd den Block mit etwas Angenehmen verbinden. Macht den Block zum Sweet Spot. Gabi Neurohr, eine Pferdetrainerin aus Frankreich, spricht beim Aufsteigeblock von der „Hugging Station“, der Umarmungsstation. 

Aufsteigen: Meine Erfahrungen 

Mit dem Projektwallach habe ich versucht, von rechts aufzusteigen, um meine Koordination zu verbessern. Von links ließ er sich super einparken. Er wusste ja, was ich will. Frage ich das Gleiche aber von rechts, drehte er trotzdem in die andere Richtung und bot seine linke Seite an. Er wusste, was normalerweise kommt und hörte nicht genau hin. Es bedurfte ein paar Versuchen, bis er mir geglaubt hat, dass ich tatsächlich von rechts aufsteigen will. Und da habe ich mich wirklich doof angestellt – so doof, dass ich beinahe wieder über seine linke Schulter den Abflug gemacht hätte. 

Eingeschlichten hatte sich auch die Angewohnheit, dass er schonmal loswanderte, sobald ich oben saß, ohne auf das Signal zu warten. Anfangs dachte ich noch „Ok, soll er halt“. Aber das ist falsch. Schließlich besteht die Möglichkeit, dass er immer früher losläuft, also auch dann, wenn ich noch gar nicht im Sattel sitze. Er sollte deswegen auf mich warten.

Aufsteigen mit der PN

Aufsteigen ohne Stress und am langen Zügel.
Aufsteigen sollte klappen, ohne das Pferd mit dem Zügel festzuhalten. Foto: Isabel Tomczyk Photography

Das Aufsteigen mit der PN war am Anfang sehr simpel. Egal, ob mit oder ohne Aufsteighilfe, er stand entspannt. Mit dem regelmäßigen Reiten wurde das aber immer schlechter. Von unten – was ich selten tue, da er schon recht hoch ist – fing er an loszulaufen, sobald ich den Fuß in den Bügel stellen wollte. Und wenn ich ihn an die Aufstiegshilfe dirigieren wollte, stellte er sich da zwar gehorsam hin, legte aber missmutig die Ohren an. Sobald ich dann einen Fuß in den Bügel stellte, lief er ebenfalls los. 

Die Ursachen der Aufsteige-Probleme

  • Gertenhilfe: Ich denke, was ihn konkret an der Aufsteigesituation stört, ist die Gertenhilfe über seinem Rücken, um den Hintern herüberzuholen. Er hat sie verstanden, er reagiert prompt, aber sie hinterlässt kein gutes Gefühl bei ihm. Ich habe noch nicht raus, warum das so ist – beim Kruppeherein reagiert er auch so. Vielleicht interpretiert er meinen erhobenen Arm samt Gerte als Drohung. 
  • Zu schnell zu viel: Dann habe ich den Fehler gemacht, zu schnell aufzusteigen, weil es ja immer gut funktioniert hat. Außerdem ist er noch nicht ganz sicher, ob er es ok findet, geritten zu werden. Ich starte grundsätzlich mit Anspannung – die äußert sich auch darin, dass er losläuft, sobald ich oben bin. In seinem Fall pariere ich ihn nicht durch, weil ich das Gefühl habe, es hilft ihm, wenn er sich bewegen kann. Stattdessen lenke ich die Bewegung, reite Volten am inneren Zügel, was ihn bisher geholfen hat, real zu entspannen. 

Die Verbesserung des Aufsteigens

Das Aufsteigeproblem habe ich mit mehreren Ansätzen gelöst.

  • Überkorrektur mit Energie: Ich habe ihm drei Versuche gegeben, stehen zu bleiben. Ab Versuch vier habe ich ihn recht deutlich seitlich vom Block weg übertreten lassen – mit Energie – und ihm dann wieder einen ruhigen Ort zum Stehen angeboten. Damit habe ich sozusagen die Gehorsam-Seite abgedeckt.
  • Entspannen am Block: Weil ich aber nicht nur will, dass er gehorcht, sondern sich dabei auch gut fühlt, stelle ich mich, wenn sich die Gelegenheit bietet, auf Treppen oder Vorsprünge, hole ihn dazu und chille mit ihm in dieser Position. Er soll also verstehen, dass ich nicht immer aufsteigen will und man so zusammen durchaus auch entspannen kann. Streicheln von oben wird auch immer gern genommen.
  • Gertenhilfe verlangsamen und vermeiden: Aus der Gertenhilfe für das Herübertreten habe ich das Tempo genommen, ich gebe sie sehr langsam, vermeide sie aber, wenn es geht, weil er immer noch nicht einverstanden ist. Ich hole ihn also am Seil an den Block.
  • Die Position selbst bestimmen: Außerdem ist ein Kompromiss, dass er erst eine Runde, manchmal anderthalb, um den Block laufen darf, um eine Position zu finden, die für ihn passt. Dann stehen wird dort erst mal eine Weile rum, und wenn er entspannt ist, dann steige ich auf.  
Entspannt beim Aufsteigen. So sollte es aussehen.
Das ist die Attitüde, die ich mir beim Aufsteigen wünsche: entspannt und aufmerksam. Foto: Nadja
Kreuzen
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Mein Buch. Wie im Blog auch schreibe ich über Beobachtungen im Zusammensein mit Pferden, die für dich hilfreich sein können.

Ich wollte den Einparkprozess filmen, aber dann hat sich meine Kamera verabschiedet. Ich reiche das Video demnächst in einem neuen Post nach: Und zwar hier.  

Christina gibt hier super Tipps zum Prozess des pferdefreundlichen Aufsteigens.

In diesem Video erklärt der amerikanische Horseman Carson James, wie ihr richtig aufsteigt. Bemerkenswert dabei: Sein Sattel ist nicht gegurtet!

Ross Jacobs schreibt auch über Probleme beim Aufsteigen, aus einem anderen Blickwinkel, aber wie immer wahnsinnig interessant und aufschlussreich.  

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10 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Bericht, genau daran arbeite ich auf einmal wieder mit meinem Pferd. Komisch, weil es doch seit zwei Jahren immer gut geklappt hat – plötzlich will sie sich wieder wegdrehen. Vielleicht muss der Sattel mal wieder überprüft werden, und so oder so werde ich mir wohl Zeit und Ruhe für diese wichtige Übung nehmen müssen! 🙂

    • Gerne! Ich denke auch, dass das Aufsteigen enorm wichtig ist. Warwick Schiller nennt es "Runway in the standstill", wenn Pferde nicht stehen bleiben können. Und wenn es schon Probleme dabei gibt, wie sieht es dann erst in den höheren Gangarten aus?

  2. ob ich mal wieder aufsteigen sollte? 😀 ich frag ja immer ganz höflich, ob ich darf… aber guter Ansatz, das still stehen muss ich mal wieder in Erinnerung rufen..

  3. Toll, dass Du dieses wichtige Thema aufgegriffen hast denn grundsätzlich gehört das Aufsteigen von der Aufsteigehilfe aus zur Schonung des Rückens der Pferde dazu aber vielfach scheitert es wirklich an den von Dir genannten Problemen an der Umsetzung.

    • Ich finde auch, dass Aufsteighilfe heute eine Selbstverständlichkeit ist (oder besser: sein sollte). Aber auch das Aufsteigen an sich ist so wichtig – weil sich viele Probleme, die man später haben kann, da schon ankündigen.

  4. Mal ein sehr interessanter Ansatz den ich bisher so nicht kannte! Es lohnt sich sicher das einfach mal mit der nötigen Geduld auszuprobieren. Denn leider ist es tatsächlich so das beim aufsteigen wie beschrieben sehr viele Fehler gemacht werden.
    Der Artikel wird dann gleich mal geteilt so das meine RS es ausprobieren können.
    Ich bin neugierig wie es klappt. ����

    • Das ist ganz klassisches Horsemanship 😀 Danke fürs Teilen – und lass mich wissen, ob und wie es funktioniert!

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