Berührt

Nicht jede Berührung ist angenehm. Wir erinnern uns mit Widerwillen daran, wie der Onkel bei der Begrüßung unsere filigrane Hand mit seiner Bärenpratze zerquetscht hat. Oder der Händedruck von einer Cousine, so schlaff wie ein toter Fisch, dass man die eigene Hand da ganz schnell wieder wegziehen wollte.

Pferden geht es da genauso, allerdings machen wir uns da häufig nicht wirklich Gedanken drüber, wir greifen einfach zu. Also wird nach dem gelungenen fliegenden Galoppwechsel dem Pferd erst mal mit der flachen Handfläche beidseitig auf den Hals geklatscht, dass es bis in die Stallgasse schallt. Was gut gemeint als überschwengliches Lob gedacht war, hinterlässt höchstwahrscheinlich erst mal ein paar Minuten brennende Haut beim Tier. Oder wir streicheln zaghaft und sanft den Hals zur Begrüßung, und schon fängt beim Pferd die Haut an zu zucken, als wolle es unsere Hand wie eine Fliege verscheuchen.

das rechte Maß beim Streicheln
Manche mögen’s entspannt. Foto: Nadja

Wie oft im Leben ist auch das gelingende Streicheln (also jenes, das auch das Pferd als angenehm empfindet) eine Frage des rechten Maßes – Pferde wollen weder gekitzelt, noch versohlt werden. Dieses rechte Maß zu finden, bedarf des Ausprobierens und des Hinschauens. In meinem Fall hat es die Tage „klick“ gemacht. Ich bin beim Streicheln zu schnell und zu leicht für den gechillten Wallach. Als ruhiger Charakter ist er von Natur aus nicht so expressiv veranlagt wie ein Pferd mit mehr Temperament – er verzieht also nicht das Gesicht vor Freude, wenn man ihn am Widerrist oder am Mähnenkamm zwickt, wie einige seiner Herdenkumpels, wo man dann genau weiß, die richtige Stelle mit dem richtigen Druck zu bearbeiten.
Ich versuche zurzeit bei dem Guten mit dem Anticken der Schweifrübe und der Hinterhand etwas mehr Beugung in seine Hinterbeine zu bekommen. Die Peitsche an seinem hinteren Ende lässt ihn aber gern mal klemmig werden. Also habe ich versucht, ihn mit Massage und Streicheln wieder zu entspannen – und siehe da: Sobald ich mit ordentlich Druck den Schenkel und die Beine abstreife und das Ganze in einem langsamen Rhythmus fängt vorne an sein Maul zu zucken, und die Lider werden schwer. Wenn ich den Jackpot habe, lässt er im Genick locker (dann nickt er leicht) und fängt an zu kauen.
Im Vergleich zu anderen, die die Nase in den Himmel strecken, die Unterlippe schlabbern lassen und einem die zu kraulende Fellstelle hinschieben, sind das eher subtile Signale. Aber jetzt weiß ich genau, wie er angefasst werden will. Wenn ich das an meinem eigenen Arm ausprobiere, finde ich es viel zu fest und viel zu langsam. Aber ich bin ja auch nicht er.

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