Um es gleich vorweg zu nehmen, dieser Post hier bereitet mit etwas Kopfzerbrechen. Er ist so etwas wie ein Seelenstriptease. Aber ich nehme mir ein Beispiel an Sophie von Chevalie, die sich auch nicht scheut, mal persönliche Themen anzusprechen. Das versuche ich jetzt auch.
Ich mache den Fehler, mich immer mal wieder in unsägliche Diskussionen in Facebook-Gruppen verwickeln zu lassen. Weil ich mich ab und an genötigt sehe, meinen Senf dazuzugeben und mich dann einfach nicht mehr raushalten oder elegant zurückziehen kann. Ein Kollege würde das wahrscheinlich mit „selbstverschuldetes Unheil“ kommentieren, und er hätte Recht. Die wenigsten Diskussionen, die schriftlich in sozialen Netzwerken geführt werden, kommen zu guten Ergebnissen, die Diskussionskultur ist bestenfalls mittelmäßig, und leider gibt es immer wieder Menschen, die weder Rechtschreibung noch höfliche Umgangsformen beherrschen.
Man kann es sich leicht machen
Was mir weiter häufig auffällt, ist, dass ich mit meiner Meinung und meiner Position häufig im Abseits stehe. Da ich mich jetzt weniger als Einzelkämpfer wahrnehme, frage ich mich schon ab und an, woher das kommt. Ich glaube, dass ich es mir selbst nicht immer leicht mache und so nehme ich in Diskussionen häufig mal einen Standpunkt ein, der nicht besonders beliebt ist – nicht aus Trotz, sondern, weil ich finde, dass es sich lohnt, die Seiten eines Problems zu beleuchten und auch mal mit Gegenwind zu argumentieren (und weil ich mich irgendwie genötigt fühle, jenen beizuspringen, die in irgendwelchen aus dem Ruder gelaufenen Gesprächen unberechtigterweise zugrunde geschrieben werden).
Jüngster Stein des Anstoßes war Anthropomorphismus im Bezug aufs Pferd. Welche Gefühle teilen Pferde mit uns Menschen? Wie ähnlich sind wir uns?
Die Frage lässt sich final nicht beantworten, da uns auch die Wissenschaft höchst wahrscheinlich nicht in die Lage versetzen wird, uns ins Pferdehirn zu beamen und das Bewusstsein des Tieres einzunehmen.
Was uns bleibt, sind Beobachtungen, Erfahrungen und die Schlüsse, die wir daraus ziehen. Da ich aus dem traditionellen Horsemanship komme, bin ich mit der Lehre großgeworden, dass es nicht gut ist, menschliche Eigenschaften unhinterfragt aufs Pferd zu projizieren. Und da bin ich nach wie vor voll dabei.
Welche Emotionen braucht das Pferd zum Überleben?
Mein Erklärungsansatz wäre folgender: Ich denke, dass die Evolution das Pferd mit all jenen Gefühlen ausgestattet hat, die es zum Überleben braucht. Und ich denke, dass die Evolution ihm all jene Gefühle vorenthält, die sein Überleben erschweren würden. Wenn ein Pferd keine Angst und keine Vorsicht kennen würde, wäre es eine leichte Beute. Auf der anderen Seite, wenn Pferde Mitgefühl oder Reue empfinden würden, dann dürfte der Hengst das Fohlen von seinem Gegner nicht totbeißen ohne im Anschluss von Gewissensbissen gequält zu werden. Vielleicht irre ich mich, und Pferde kennen Mitgefühl, Reue oder sogar Schuld. Können ihr Verhalten und seine Konsequenzen auch für ihre Artgenossen und andere in komplexeren Zusammenhängen ein- und abschätzen und bewerten. Der Hengst hat ein schlechtes Gewissen, tötet aber weiter Fohlen und muss sich außerdem bei seinem Rivalen entschuldigen, dem er beim letzten Kampf fast das Bein gebrochen hat. Vielleicht ist es denkbar – aber es wäre hinderlich, es wäre unpraktisch. Ich denke, dass die Natur Einfachheit der Kompliziertheit vorzieht.
Das bedeutet nicht, dass ich den Tieren Intelligenz oder Emotionen abspreche (was mich natürlich zu einem kaltherzigen, bösen und arroganten Menschen macht). Aber ich denke, wir Menschen wären gut beraten, mal von unserem eigenen Ego Abstand zu nehmen und das Pferd als das zu sehen, was es ist: ein Fluchttier, über Jahrtausende domestiziert, aber dennoch nicht mit dem Menschen zu vergleichen.
Natürlich will ich, dass mein Pferd mich liebt, mich verteidigt, mich vermisst. Nur schade, dass es auch ohne mich alles hat, was es zum Leben braucht. Wir sind Beiwerk im Leben der Pferde. Manche von ihnen mögen uns und sehen uns als eine Bereicherung, andere könnten ganz prima ohne uns. Ich finde das weder tragisch noch traurig. Aber es scheint Leute zu geben, die nicht mit dem Gedanken umgehen können, dass ihr Pferd ein stückweit autark ist und auch ohne sie gut zurechtkommen könnte.
Autarkes Pferd: „Wenn ich dich nicht sehe, dann siehst du mich bestimmt auch nicht.“ Foto: Nadja |
Mein Projektwallach etwa lässt sich nicht gern von anderen als seinem Stammpersonal anfassen. Er ist nicht gefährlich, kann aber schon mal treten, und macht vor allem ein verärgertes Gesicht. Ich könnte das jetzt so auslegen, dass er uns vermisst, wenn wir nicht da sind und deswegen schmollt. Ich denke aber eher, dass er es nicht mag, wenn seine Routinen gestört werden – und wenn Menschen um ihn herum werkeln, die nicht auf seine Bedürfnisse geschult sind. Darauf, seinen persönlichen Raum zu respektieren. Ihn nicht mit zuviel Energie zu belästigen. Ihn immer mit sehr wenig zu etwas aufzufordern, statt mit in der Tür ins Haus zu fallen. Wenn die Neuen um ihn herum das berücksichtigen würden (und natürlich noch ein paar andere Dinge), dann wäre der Gute mit ihnen genauso glücklich wie mit uns. Das klingt jetzt nicht nach Fury und Black Beauty. Aber ich glaube, dass auch das Pferdeleben in den seltensten Fällen einem Ponyhof-Idyll gleicht.
Da diene ich doch gern als "Vorbild". 🙂 Vor allem weil ich das Thema auch total spannend finde und wir darüber nun schon mehrfach diskutiert haben. Mal vorweg: Ich kann mir vorstellen wie es Dir in den FB-Gruppen geht. Ich habe mich gestern auch mal wieder verwickeln lassen und (wieder mal) beschlossen, dass ich das in Zukunft sein lasse. Entweder irgendwer wird unhöflich oder jemand kann nicht mit Gegenwind umgehen und behauptet dann gleich, dass man aus Prinzip gegenan schreiben würde. Nunja, so lässt sich irgendwie nix diskutieren. Aber zum Glück haben wir ja hier (oder bei mir) die Gelegenheit.
Aber nun zurück zum eigentlichen Thema: Emotionen beim Pferd. Super spannend! Auch weil wir da, glaube ich, ein Stück weit ähnliche aber doch unterschiedliche Positionen haben.
Ich fange mal damit an wo ich bei Dir bin: Viele Menschen schreiben Pferden menschliche Gefühle (in vollem Umfang) zu. Das halte ich nicht nur für unrealistisch, das kann auch gefährlich werden. Ich muss mich einem Pferd gegenüber anders verhalten als einem Menschen gegenüber, das kann ich aber nur, wenn ich es auch als Pferd wahrnehme. Auch würde ich Dir Recht geben wenn Du sagst, dass viele dazu neigen zu viel in pferdische Handlungen hinein zu interpretieren, weil sie sich eben wünschen, dass das diesen und jenen Hintergrund hat. Und natürlich bin ich am Ende auch bei Dir, wenn Du sagst, dass wir nicht wissen können was im Pferdehirn vorgeht.
Nun aber zu Deinen Thesen (korrigier mich, wenn ich was falsch verstanden habe) und meinen Gegenargumenten:
These 1: Pferde haben nur Emotionen, die sie zum Überleben brauchen.
Das würde ich bestreiten. Zumindest in der Determiniertheit in der Du es vertrittst. Natürlich ist das eine Möglichkeit. Allerdings ist das m.E. nicht zwingend die Wahrheit, auch wenn es evolutionsbiologisch Sinn machen würde. Allerdings vertrete ich die These, dass Menschen am Ende auch eine Art Tiere sind. Wir haben ein komplexes Spektrum von Emotionen und ich behaupte, dass einige davon nicht notwendig für unser Überleben sind (darüber kann man natürlich auch diskutieren). Trotzdem haben wir sie. Aber vielleicht ist das ein schwieriges Beispiel. Auch in der restlichen Tierwelt lassen sich Verhaltensweisen und Emotionen beobachten, die für das Überleben der Tierart nicht ausschlaggebend sind. Warum spielen Katzen z.B. mit ihrer Beute? Warum freuen sich Hunde so übertrieben? Für den Rudelzusammenhalt? Dann wäre das auf Pferde übertragbar, oder?
Ich will damit nicht sagen, dass alle Tiere alle Emotionen haben, die wir Menschen kennen. Ich sage nicht einmal, dass ihre Emotionen mit unseren überhaupt abgleichbar sind. Ich bestreite aber die These, dass sie nur die Emotionen haben, die sie zum Überleben brauchen.
These 2: Wenn sich zwei Menschen gleich verhalten würden, dann sind sie für das Pferd austauschbar.
Gut, das zu widerlegen ist nicht so leicht. Allerdings ist es ebenso schwer zu belegen. 😉 Ich behaupte trotzdem, dass das nicht der Wahrheit entspricht. Warum glaube ich das? Mein bestes Beispiel sind hier Pferde (und andere Tiere), die "geliebte" Bezugspersonen nach langer Zeit wiedersehen. Hier gibt es genügend Beobachtungen von Wiedererkennen und Wiedersehensfreude. Und das auch aus Situationen heraus in denen die Tiere ein glückliches Leben in einem neuen Zuhause führen. Ein weiteres Argument, das für mich dagegen spricht ist, dass Pferde untereinander ja auch Empathien und Animositäten pflegen. Klar, das kann auch auf das Verhalten zurückgeführt werden. Aber da spielen ja doch viele Aspekte mit rein (Farbe, Alter…). Und wieder die Frage: Was bedeutet Freundschaft denn beim Menschen z.B. anderes als dass es da Personen gibt mit denen ich mich besonders gut verstehe, weil unser Verhalten gut zusammenpasst?
Ich glaube, ehrlich gesagt, dass das Problem bei dieser Frage in zwei Aspekten liegt: 1. Sehen Emotionen bei anderen Tierarten vielleicht anders aus, sind anders zusammengesetzt o.ä.. So wie ich nicht sicher sein kann, ob für Dich die Farbe Gelb genauso aussieht wie für mich (Sorry, ein Totschlagargument der Philosophen…). 2. Schreiben wir unseren menschlichen Emotionen immer etwas Übergeordnetes, Unabhängiges und Unbestechliches zu. Und das stimmt meiner Meinung nach nicht. 😉 Natürlich würde ich auch gerne denken, dass meine Freund- und Leidenschaften einen reinen und selbstlosen Charakter haben. Aber haben sie das? Nein. Ich umgebe mich mit Menschen, die sich so verhalten, dass ich sie gerne um mich habe. Und das nenne ich dann Freundschaft. Tut mein Pferd was anderes? 😉
Hallo und erstmal vielen Dank für deine Kommentare. 🙂 Du hast völlig recht: Wir haben mit den Blogs eine Plattform, um Diskussionen weiter tragen zu können, ohne Angst haben zu müssen, persönlich angegriffen zu werden.
Zu These 1: Ich habe mal irgendwo gelesen, dass Elefanten zum Beispiel Mitleid empfinden sollen. Dass sie bei Geburten einander assistieren (also die beste Freundin kommt mit) und wenn einer krank ist, einander beistehen. Da gab es mal so ein tolles Video wie die Herde (sagt man das bei Elefanten so?) einen Kleinen gemeinsam aus einem Schlammloch rausgezogen hat. Ich habe Elefanten nun immer als "höher" entwickelt als Pferde wahrgenommen und würde die Emotionen damit begründen wollen 🙂 Auch, weil ich, um mal beim Mitleid zu bleiben, Vergleichbares beim Pferd noch nicht erlebt habe (was natürlich nicht heißt, dass es nicht möglich ist). Ich glaube aber durchaus, dass das Sozialgefüge in der Pferdeherde und im Wolfsrudel ein anderes ist. Wölfe jagen zusammen, alle arbeiten zusammen, um gemeinsam etwas zu erreichen. Ich weiß nicht, ob etwas Vergleichbares für eine Pferdeherde denkbar ist.
Zu 2: Dass Pferde Freundschaften pflegen, und sich wiedererkennen, sehe ich genauso. Ich denke auch durchaus, dass sie Person A Person B vorziehen können, auch wenn sich beide gleich verhalten – zum einen weil genau gleich unmöglich wäre, zum anderen, weil die Menschen ja nicht identisch sind. Sie riechen anders, bewegen sich anders, haben andere Emotionen. Was ich meine ist, dass ich nicht glaube, dass Pferde per se eine so enge Bindung mit ihrem Menschen eingehen wie zum Beispiel Hunde (Stichwort Herrchen im Urlaub Hund frisst nicht mehr; Herrchen tot, Hund stirbt mit). Ich denke Pferde sind da flexibler und anpassungsfähiger (was natürlich nicht bedeutet, dass man sie beliebig aus ihrem Gefüge herausreißen soll).
Beim letzten Paragraphen bin ich wieder komplett bei dir. Bernie Zambail hat in einem Artikel (http://zambail.com/strafen-oder-loben/) formuliert, dass er nicht glaubt, dass Lob und Strafe für Pferde so existieren, wie für uns. Und an einem ähnlichen Punkt waren wir ja auch schon mal bei unserer Freude-Diskussion, wo der kleine gemeinsame Nenner das Empfinden von negativen oder positiven Konsequenzen ist. Und so wie Freude bei Pferden nichts anderes seine mag als die Erwartung auf etwas Angenehmes, ist es bei uns ja auch nicht viel anders, ebenso wie mit Freundschaften. VG!
Ich finde es toll, dass du ehrlich bist und das nicht so verkläert siehst!
Den Wesenszug, sich üfr andere ieinzusetzen und ungewöhnlcihe Standpuntek einzunehmen, kenne ich von mir. Damit macht man sich leider nicht beliebt und nur wenige wissen das zu schätzen. Aber manchmal gibt es Situationen, in denen man Untersützung bekommt und das tut sehr,s ehr gut!
Danke! Da bin ich ganz bei dir – es lohnt sich, seinem Standpunkt treu zu bleiben und ihn zu vertreten, auch wenn es unangenehm sein kann. Und hier unter Bloggern trifft man viele Gleichgesinnte. Und mit jenen, deren Meinung man nicht teilt, kann man sachlich diskutieren – ohne Schlammschlachten. Deswegen schätze ich die Kultur so sehr. VG!