Keiner will drüber reden, aber nahezu jeder hat seinem Pferd schon mal eine gegeben, wenn es sich falsch verhalten hat: Manch einer hat danach ein schlechtes Gewissen, andere sind der Meinung, das Pferd hat‘s verdient und eine Disziplinierung hier und da tut ihm ganz gut.
Ich möchte mich nicht an Definitionen von Strafe oder Bestrafung aufhalten – die Lerntheorie unterscheidet bekanntlich zwischen negativer Verstärkung und Strafe -, sondern euch zwei Beispiele geben, die zeigen, wann und warum Strafe nicht funktioniert (und ich bin kein Vertreter der Wattebauschwerfer-Fraktion).
Der Mensch löst das unerwünschte Verhalten selbst aus
Eine Freundin will ihren Wallach satteln, und sobald sie mit dem Sattel in sein Blickfeld kommt, legt er die Ohren an. Hebt sie den Sattel auf seinen Rücken, schwenkt er den Kopf nach links und rechts und zieht Grimassen. Sobald sie nach dem Gurt greift und beginnt ihn zu schließen, versucht der Wallach zu beißen. Sein deutliches Missfallen versucht sie mit verbalen Ansagen wie „Hör auf“ oder „Lass das“ in den Griff zu kriegen. Seine Beißversuche quittiert sie mit einem Schlag. Das führt dazu, dass ihr Pferd vom Beißen absieht und nur weiter mit angelegten Ohren und schlagenden Schweif und Kopf den Sattelprozess kommentiert. Kurzfristig hat sie also die heftigste Ausprägung des unerwünschten Verhaltens, den Beißversuch, abgestellt. Beim nächsten Mal Satteln geht der Zirkus aber wieder von vorne los.
Die Strafe, der Schlag, führt hier nur dazu, dass das Pferd das Satteln nur mehr hasst als eh schon. Der Wallach wird sein unerwünschtes Verhalten nicht abstellen, da der Mensch es mit dem Satteln immer wieder auslöst.
Das Tier hat offensichtlich ein Problem – es sei dahin gestellt, ob es Bauchschmerzen hat, der Sattel in die Schulter zwickt oder der Mensch den Gurt zu schnell zuzieht. Statt das Pferd zu bestrafen, wäre es also angebrachter, dem Problem auf den Grund zu gehen. Dann muss der Wallach nicht mehr beißen und auch nicht mehr bestraft werden.
Das Pferd bringt die Strafe nicht mit seinem Verhalten in Verbindung
Jüngst hat eine aufgeregte Stute ihrer Besitzerin eine Kopfnuss mit ihrer Nase verpasst, als sie den Kopf plötzlich von links auf rechts gedreht hat. Die Besitzerin hat ihr daraufhin als Strafe eine mit dem Stick auf die Nase zurück gegeben. Für die Stute war das weniger ein Erkenntnisgewinn im Sinne von „oh, ich darf meinen Menschen nicht umrempeln“, sondern eher „wusste ich doch, dass es hier gefährlich ist!“. Ihr Fokus lag im Moment des Kopfdrehens überall, aber nicht auf dem Menschen, und die Kopfnuss war dem Zufall geschuldet – wäre die Besitzerin weiter weg gestanden, hätte sie das Pferd nicht erwischt. Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort – in der Kopfreichweite ihres Pferdes.
Entsprechend kann die Stute ihr falsches Verhalten (letztlich hat sie ja nur den Kopf gedreht) nicht mit dem Menschen in Verbindung bringen.
Die Lösung des Problems – schließlich ist es nicht akzeptabel, Kopfnüsse von seinem Pferd einstecken zu müssen – liegt in der Prävention. Der Mensch bringt seinem Pferd bei, dass es Abstand halten und den persönlichen Raum des Menschen respektieren muss – und er fordert das in auch Situationen, in denen das Pferd abgelenkt ist, ein.
Anna Blake hat auf ihrem Blog über eine ähnliche Situation geschrieben und beleuchtet sie aus einer anderen Sichtweise: http://annablakeblog.com/2014/05/23/training-is-like-a-box-of-chocolates/