Warum zu viel Freiraum schaden kann

Zu meinen Zeiten als Redakteurin habe ich mich immer bemüht den freien Mitarbeiten so viel Freiraum wie möglich zu geben. Soweit es mit dem Arbeitsablauf zu vereinbaren war, wollte ich keine zu engen Vorschriften machen. Einfach, weil ich mir, wäre ich ein freier Mitarbeiter gewesen, von einem Redakteur das gleiche Verhalten mir gegenüber gewünscht hätte – Freiraum und das Vertrauen in mich, dass ich die Arbeit zuverlässig und korrekt erledigen werde, ohne dass mir jemand ständig auf den Zehen steht und korrigierend bei jedem Satz eingreift.

Meine Absicht war eine gute – und dennoch hat das in der Praxis nicht immer funktioniert. Ich habe den Fehler gemacht, von mir auf andere zu schließen. Natürlich, manche Menschen brauchen den Freiraum und die Verantwortung, alles allein zu regeln. Andere dagegen wollen klare Anweisungen und Grenzen – und diesen bin ich mit meiner eher liberalen Einstellung „Mach einfach – das wird“ nicht gerecht geworden.

 

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Fragen stellen gehört zur Kommunikation.
Klarheit auch. Foto: Nadja

Ich glaube, mit Pferden ist das ähnlich.
Es gibt Exemplare, die brauchen mehr Raum. Und es gibt welche, die gerne für den Menschen Platz machen und ihm die Entscheidungen überlassen.
Wenn ich jetzt als Mensch mit klaren Vorstellungen und Erwartungen mit einem Pferd der ersten Kategorie zusammentreffe, kann das zu Konflikten führen. Weil ich nicht flexibel genug bin, mich auf die Bedürfnisse des Pferdes einzustellen und ihm mehr Mitspracherecht einzuräumen, als mir eigentlich lieb ist.
Ein Pferd der zweiten Kategorie dagegen wird diese genaue Führung besser annehmen können. Ich dagegen, mit meiner Offenheit, verunsichere es eher. Denn mein Verhalten schafft Unklarheit und es entstehen Missverständnisse.


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Wenn zuviel Freiraum Verwirrung stiftet

Ein klassischer Fall dafür ist dieser hier: Ich arbeite vom Boden und will das Pferd am Leadrope* auf dem Zirkel nach rechts schicken. Statt dessen kommt es einen Schritt nach vorne und schaut mich mit gespitzten Ohren an. Es stellt eine Frage. Und ich freue mich über Fragen – schließlich zeugen sie davon, dass das Pferd mit dem Kopf dabei ist und mit mir kommuniziert. Entsprechend finde ich es unhöflich mit einem „Nein, geh gefälligst raus auf den Zirkel“ zu antworten. Warte ich aber zu lange – oder gebe ich eine Pause – dann stifte ich eher Verwirrung, als dass ich etwas Beziehungsförderliches tue. Schließlich wird mein ursprüngliches Signal „Gehe raus auf den Zirkel“ dann zum „Komme zu mir herein“. Beim nächsten Mal wird das Pferd wahrscheinlich wieder versuchen zu mir zu kommen statt auf den Kreisbogen abzubiegen – wenn ich es dann energisch rausschicke, ist das Missverständnis komplett. Mein Verhalten ist unberechenbar. Einmal sage ich „hü“ und gebe mich mit „hott“ zufrieden. Und beim nächsten Mal sage ich „hü“ und bestehe auf „hü“.

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Ich ertappe mich immer wieder bei Fehlern dieser Art: Ich will das Pferd im Mitdenken bestärken und nicht überkritisch sein. Aber ich werde darüber unklar in meiner Hilfengebung. Ein „Nein, das war nicht die Lösung“ hilft dem Pferd am Ende mehr als die später nötige Korrektur, wenn mein Goodwill wieder mit mir durchgegangen ist.

Ein ähnlicher Fall: Vor ein paar Tagen ritt ich das Pferd einer Freundin. Die Stute kommt aus schwierigen Verhältnissen und ist nicht begeistert, wenn es ans Rückwärts richten geht. Auf zu viel Druck am Kopf reagiert sie mit Kopfschlagen. Ich wollte, dass sie antritt, und sie verlagerte ihr Gewicht nach hinten und dachte ans Rückwärts. Statt meine Hilfe aufrecht zu halten, bis sie ins Vorwärts findet, habe ich sie ausgesetzt – weil ich mich gefreut habe, wie willig sie anbietet rückwärts zu gehen. Beim nächsten Anreitversuch hat sie natürlich das Gleiche angeboten, und schon habe ich ein Missverständnis geschaffen.

Habt ihr auch typische Fehler, die ihr immer wieder macht?

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3 Kommentare

  1. Hmm ein schwieriges Thema. Ich denke bzw. habe die Erfahrung gemacht dass, wenn Pferde immerzu kontrolliert wurden, sie uneigenständig und unsicher wurden. Es sind Pferde die z.B. beim spazieren gehen im Gelände immer nur hinter dem Menschen, oder mit Kopf auf Schulterhöhe, gehen. Bei neuen Dingen sind diese Pferde sehr ängstlich und zeigen das gleiche Verhalten wie beim spazieren gehen im Gelände >>Geh vor und ich laufe nach aber selbst traue ich mich nicht<<. So auch beim reiten im Gelände am liebsten stehen bleiben oder sich oft erschrecken und sich wenig vorwärts trauen.

    Während ich bei Pferden denen Freiheiten gegeben würden beobachten konnte wie sie neugierig auf neue Dinge oder Situationen zugingen und gerne auch mal die Führung übernahmen. (Nicht in dem Sinne "Ich bin eigenständig und du, Mensch kannst schauen wo du bleibst, ich geh voran" sondern eher "Ui so viele neue Eindrücke, schau mal da und da und da, so viele Sachen zum anschauen! Ups ich bin zu weit vorne, ich warte kurz auf dich und dann können wir weiter neues entdecken".
    Diese Pferde machen mir persönlich viel mehr Freunde da sie auch Selbstvertrauen besitzen und ich denke jedes Pferd kann so werden. Manche brauchen länger und sind dann wie du beschrieben hast verwirrt und verunsichert über die plötzliche Freiheit sind^^ (nur weil sie sie nicht gewohnt waren) was aber für mich kein Grund wäre sie ihnen wieder wegzunehmen. Denn nur der der die Chance bekommt Verantwortung übernehmen zu können wird diese auch übernehmen, früher oder später steht nicht zur Debatte und es ist auch ein Unterschied ob jemand Verantwortung für sich Selbst übernehmen muss oder auch für Andere. Wenn Pferde in ihrem Verhalten bestärkt werden wenn sie eigenständig arbeiten (z.B. einen Schritt auf eine Plastikplane zugehen) werden sie lernen eigenverantwortlich zu lernen, neugierig zu werden und ein Selbstvertrauen zu entwickeln.

    Bei Menschen ist dies anderes, bzw. vielleicht wäre es genauso wenn man sie ausreichend loben würde für richtiges Arbeiten und Fleiß (schon in Kindesalter). Doch wenn sie immer nur klare Anweisungen bekommen haben und nie wirklich selbst mitdenken mussten geschweige denn einen Sinn in den Arbeiten sehen, wie sollen sie denn dann mit motivation eigenständig arbeiten?

    Ich denke auch du hast keinen Fehler gemacht als du die Stute bestärkt hast als sie das Verhalten anbot und du gelobt hast. Eher hast du danach den Fehler gemacht ihr das richtige Signal zu zeigen zu dem ihr Verhalten passt. Hättest du statt das nächste mal anzureiten das Signal zum Rückwärtsrichten gegeben und dieses bei Ausführung gelobt, es noch ein paar Mal wiederholt sodas sie die verschiedenen Hilfegebungen korrekt verstanden hätte, so wäre es möglicherweise ein Erfolg in Sachen rückwärtsrichten geworden.

    Ich persönlich mache sehr oft den Fehler, dass ich zu ergeizig bin. Nur das "perfekte" belohne und dabei die Übung übereile und manche Pferde damit überfordere weil ich von anderen Pferden gewohnt bin das sie es so schnell verstehen. Das führ meistens zu Frust, erst auf Seiten des Pferdes und dann, wenn garnichts mehr geht bei mir. Ich beende dann meist die Übung für diesen Tag und reflektiere mein Verhalten.
    Außerdem gehe ich manchmal zu wenig auf die Reaktion eines Pferdes ein, ist es missmutig und unwillig arbeite ich weiter ohne darüber nachzudenken was eigentlich das Problem war. Es bessert sich zwar immer aber an manchen Tagen falle ich in alte Schemen zurück die ich mir vor längerer Zeit angeeignet habe. Aber solange man daraus lernt und versucht sich zu bessern denke ich sind wir alle auf dem richtigen Weg.

    • Hallo Lisa,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Ich denke auch, dass es wichtig ist Pferden Freiraum zu geben – vor allem bei Entscheidungen. Wir können die Entscheidung eines Pferdes schon beeinflussen, aber treffen tut es sie am Ende allein. Deswegen lehne ich micromanagen oder enges Führen ab, eben weil es dem Pferd versucht, Entscheidungen abzunehmen. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, klare Grenzen zu ziehen. Ich denke, es kommt wie bei so vielem auf die Balance und das rechte Maß an. Perfektionismus kenne ich leider nur zu gut. Aber ich denke, sich unserer Schwächen bewusst zu sein, ist schonmal der erste Schritt in die richtige Richtung. VG! Nadja

  2. Pingback:Acht Mal Inkonsequenz – und mögliche Folgen | Pferde verstehen

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