Schwierige Situationen einfach aussitzen?

Ich bin ein vorsichtiger Reiter. Ich glaube, dass es nicht besonders viel bedarf und ich verliere das Gleichgewicht und lande im Dreck. Entsprechend bin ich meistens gut vorbereitet – und das beinhaltet auch, dass mein Pferd gut vorbereitet ist. Ich versuche böse Überraschungen zu vermeiden.

Jetzt gibt es auch sehr sattelfeste Reiter. Solche, die mit allen möglichen Unarten – seien es Steigen, Bocken, Buckeln, Durchgehen oder zur Seite springen – souverän umgehen können. Sie müssen nicht wie ich vorbereitet sein, um im Notfall einer Situation leicht Herr zu werden; sie tun spontan das Richtige, um oben zu bleiben. Und damit erschöpft es sich in manchen Fällen leider auch. Denn so ausgeprägt ihre Fähigkeit ist, sich auf dem Pferderücken zu halten, so verkümmert ist ihr Gespür für das Pferd. Ich habe den Eindruck, dass manchen Reitern ziemlich egal ist, in welchem Zustand der Erregung ihr Pferd sich gerade befindet, da sie das Gros des denkbaren Ungehorsams gut händeln können. Sie sitzen es sprichwörtlich aus, und tun das immer und immer wieder. Weil sie zwar mit den Auswüchsen der Unarten umgehen können, aber an die Ursachen nicht herankommen (wollen) und entsprechend das Verhalten nicht abstellen (können). Es interessiert sie nicht, ob ihr Pferd in gewissen Situationen Probleme hat und sich fürchtet, weil sie wissen, dass sie am längeren Hebel (und das kann durchaus auch der Anzug eines Gebisses sein) sitzen. 

Ich finde das unfair gegenüber dem Pferd. Wenn ich als Reiter auch gefährliche Situationen gut überstehen kann, entbindet mich das nicht von meiner Verantwortung (eigentlich wollte ich das Wort Pflicht benutzen), meinem Pferd so gut ich kann zu helfen, wenn es überfordert ist – und damit auch andere zu schützen. Schließlich ist ein außer Kontrolle geratenes Pferd nicht nur eine Gefahr für den Reiter, sondern auch für andere Umstehende, die in seiner Nähe sind. 
Wie wäre es also, statt sich damit abzufinden, dass das Pferd in manchen Situationen „spinnt“ und es da durchzudrücken, sich mal Gedanken darüber zu machen, warum es spinnt – und dann zu versuchen die Gründe abzustellen? 

Als vorsichtiger Reiter habe ich selbst nicht die Wahl; ich muss die Ursachen suchen und abstellen, um unser Unfallrisiko zu minimieren. Das Pferd würde es aber auch dem sicheren Reiter danken, wenn er das Gleiche täte – auch wenn er es nicht muss. Um es damit aus einem Zustand der Angst, Verwirrung und manchmal auch Unterdrückung zu mehr Selbstbewusstsein zu führen. Ich finde, er ist es seinem Pferd schuldig.

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4 Kommentare

  1. Jepp, gefällt mir! Deshalb heißt es ja auch "reiterliche Hilfen" – wegen helfen – und nicht "Rodeoknopf". Um zu helfen, muss ich doch erstmal verstehen, was passiert, oder? 😉

    LG
    dein Pfridolin

  2. "Rodeoknopf", das ist gut! Und ich sehe das wie du: erst Verständnis, dann Aktion, nicht blinder Aktionismus!

  3. Hallo Nadja habe schon viele Blogs von Dir gelesen. Und habe jedesmal hilfreiches Verhalten meinem Pferd gegenüber für mich mitnehmen können. Seid meinem 7 Lebensjahr bin ich vom Pferdenvirus infiziert. Bin auch schon oft genug vom Pferd gefallen habe aber nie aufgegeben. Ich muss sagen von meinen eigenen nur einmal. Warum ich gerade auf diesen Blog schreibe, ist weil ich lieber auf meinem Pferd sitze wenn es problematisch wird. Was nicht heisst das meine Stute nicht Halfterführig ist, aber es gibt halt so Situationen wie du in deinem Blog geschrieben hast da bin ich Mensch für Sie nicht existent. Da es nicht oft vorgekommen ist in den Jahren als ich noch Mutter und Tochter in eigenregie gehalten habe, sonst alles gut funktioniert hat verschwendete ich auch wenig Energie eine Lösung zu finden. Nun aber ist meine alte Dame und Mutter meiner Stute über die Regnbogenbrücke gegangen, und ich musste weil ich mir kein weiteres zweites Pferd mehr zulegen wollte die Tochter in Pension stellen. Erst War auch alles easy da es keinen grossen Ortswechsel gab.Der Stall ist gleich neben an. Sie steht jetzt mit Ihrem Halbbruder und einer Dülmermixstute zusammen. Auch das erste zusammenstellen fand auf Ihrer Stammweide statt ( ich wollte das so weil Sie leider nur noch ein Auge hat ) ging sehr ruhig ab.Sicher haben sich die beiden Stuten mal gekloppt aber ich fand das nicht beunruhigend, auch jetzt empfinde ich das das Trio gut funkrioniert. Nach kurzer Zeit auf einer kleinen Wiese immer noch alles easy. Dann wurden die drei auf eine Weide gebracht die weiter weg vom Stall liegt. Beim runterholen zum Stall hoch auch kein Problem aber beim zurückführen hatte ich an der Hand nur Probleme ( nicht zu kontrollieren Mensch nicht existent) Nachdem ich nur mit Glück an einem vorbeifahrenden Auto Sie gehalten bekommen habe, bin ich beim nächstenmal auf ihr sitzend runtergeritten, weil ich Sie unter meinem Hintern besser unter Kontrolle habe. Da hat es bei mir klick gemacht und habe mir gesagt so darf das nicht bleiben. Mit Ihrer Mutter hatte ich nie Probleme deswegen hatte ich mir auch wenig Gedanken gemacht. Nun klappt es mit Töchterchen aber schon besser dank deiner Blocks die mich ans überlegen gebracht haben. Danke LG Doris

    • Danke für deinen Kommentar, Doris. Ich hoffe, es klappt immer besser mit deiner Stute. Ich fühle mich bei schwierigen Pferden immer wohler vom Boden aus, kenne aber sehr viele Leute, die sagen, sie sitzen lieber oben. Ich denke, da weiß man selbst am besten, wie man das Pferd gehändelt bekommt und sollte auf sein Gefühl hören. VG Nadja

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