Horsemanship oder Wissenschaft? Oder beides?

Kennt ihr Epona.tv? Eine Internetplatform, die aktuelle Entwicklungen in der Pferdeszene kritisch begleitet – und bewusst einen scharfen Ton in ihren Texten anschlägt.

Jüngst war das Opfer ihrer Beobachtungen Monty Roberts. Auf den zugegeben pointierten Artikel folgte ein scharfer Kommentar, der einen ebenso gehässigen Antwortartikel nach sich zog. Und an dem entzündete sich eine interessante Diskussion über Horsemanship-Praktiken und deren wissenschaftliche Validierung.
Während ich finde, dass sich Epona da etwas im Ton vergriffen und vor allem zu weit aus dem Fenster gelehnt hat (was natürlich auch damit zusammenhängt, dass ich ihre Meinung nicht teile), ist die Debatte trotzdem wichtig.

Im Kern geht es darum, ob Pferdeherden hierarchisch gegliedert sind und ob man daraus dann eine Trainingsphilosophie ableiten kann, die auf Leadership beruht. Können wir Menschen die Rolle des Alphas für unser Pferd übernehmen, weil das Tier von seiner Natur her einen Führer sucht? Oder sind Dominanz- und Leadershiptheorien völlig blödsinnig, weil sie nichts mit der Natur der Pferde zu tun haben und wir das Verhalten unserer domestizierten Herden missinterpretieren? Dieses ist demnach nicht dominanz-, sondern ressourcengesteuert. Und als Mensch und damit andere Spezies kann das Pferd uns gar nicht als Leader ansehen, zumal es mit uns nicht um Ressourcen konkurriert.

 

Dominanz, Wissenschaft, Horsemanship
Wer ist der Chef? Oder gibt es überhaupt keinen? Foto: Nadja

 

Einen Kommentar zum Epona-Post Nummer 2 „Round and Round we go“ fand ich dabei besonders interessant. Viktória Kóňová schreibt:

„The mare’s role in the herd might be based on something entirely different than the dominance and leadership. It just might be her role – to look after the herd. Some other horse might be good at finding minerals. Yet other in driving the predators off… Horse herds have indeed very complex dynamics and describing it in simple terms of „alpha“, „beta“ and „omega“ would be a huge simplification.“

Horsemanship orientiert sich am Verhalten der Pferde untereinander

Ich für meinen Teil bin und bleibe überzeugt, dass eine Hierarchie in der Herde existiert. Nicht nur, weil ich Verhalten beobachtet habe, dass ich als dominant interpretiere: etwa, wenn ein Pferd ein anderes vertreibt, ohne dadurch etwas anderes zu gewinnen als mehr Raum. Oder wenn das Leitpferd ein anderes in die Herde eingliedert, indem es dessen Interaktion mit den anderen steuert – und damit die Bewegungen der Pferde.
Wenn es keine herdeninhärente Struktur gäbe, würde Chaos herrschen. Diese Struktur muss auf etwas basieren (meiner Meinung nach Hierarchie, aber vielleicht gibt es auch andere Optionen, an die ich nicht gedacht habe). Anders als Viktoria glaube ich nicht, dass Pferde von Natur aus die Position inne haben, die am besten ihren Fähigkeiten entspricht. Ich denke stattdessen, dass Herausforderung, Kampf und Wut genauso ihren Platz in der Pferdewelt haben wie Friedfertigkeit, Freundschaft und soziales Gespür.
Und deswegen bin ich überzeugt, dass es sehr hilfreich, um nicht zu sagen notwendig ist, gewisse Verhaltensweisen und Prinzipien der Kommunikation von Pferden untereinander zu adaptieren (etwa die Kontrolle von Raum oder Bewegung), um ihnen verständlich zu machen, was wir von ihnen wollen. Nur weil wir einer anderen Spezies angehören, verändern Pferde die Grundstrukturen von ihrem Verhalten nicht. Sie begegnen Menschen wie Pferden mit angelegten Ohren, treiben Mensch wie Tier oder suchen die Gegenwart von beiden. Ein Pferd bleibt ein Pferd, und ich bin der Meinung, dass es auch die Interaktion mit dem Menschen durch die Herdenbrille wahrnimmt. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass wir uns dieser Prinzipien bedienen können, um mit dem Tier auf möglichst natürliche Art und Weise zu kommunizieren.Ich denke aber durchaus, dass man sich nicht nur auf diese Techniken und Methoden verlassen sollte. Ana Maçanita schreibt in der Diskussion auf Epona.tv:

There is only one thing I have found that makes horses follow you no matter what: it is TRUST, same as with humans. And the only way to gain 100% trust is by acting like you deserve it. You never corner a horse, you never put him in harms way, you never panic, you always try to protect him and help and you keep your cool in „bitchy“ situations. THAT is what will stick them to you! their first priority is always survival, and if they believe they are safer with you than anyone else or alone, then they’ll stick by you. Not love, not food, not cuddling, but trust.“

Ich kann also eine noch so klare Kommunikation mit meinem Pferd etabliert haben – und trotzdem nichts zu sagen haben. Ana hat mir klar gemacht, wie wichtig es ist, dass nicht nur die Kommunikationsmittel stimmen, sondern auch deren Inhalt. Und da ertappe ich mich dabei, für mein Projektpferd eben kein 100-prozentiger Verlasspartner zu sein. Weil es Situationen gibt, in denen ich seinen Bedürfnissen nicht gerecht werde – weil ich selbst Angst habe, mir über seine Sicht der Dinge nicht im Klaren oder abgelenkt bin.
Das wäre also die Lektion aus dieser Diskussion für mich: Methoden und Techniken funktionieren, um die gleiche Augenhöhe herzustellen und Kommunikation zu etablieren. Sie ersetzen aber nicht unsere Aufgabe, vertrauenswürdig zu werden, das Vertrauen des Pferdes durch unser Verhalten zu verdienen – und zu behalten.

Was denkt ihr?

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