Gehorsam ist nicht alles

Mein Freund hat ein paar Videos vom Projektwallach und mir gedreht und beim Sichten des Materials dachte ich mir: „Oh je, willst du das wirklich zeigen?“ 

Mir war also schon vor ein paar Wochen beim ersten Bearbeitungsdurchgang klar, dass die gefilmte Session keine Glanzleistung meinerseits zeigte. Aber ihre eigentliche Bedeutung hat sich mir erst jetzt vor Kurzem erschlossen, als ich das Material mit etwas zeitlichem Abstand noch einmal angesehen habe.

Ich arbeite mit Paledo an Richtungswechseln am Seil und möchte, dass er die sauber und zügig ausführt. Gerade beim Wechsel von der linken auf die rechte Hand hatte er damit Probleme, kam ins Stocken oder lief mir über die Schulter davon. Mit dem Gedanken im Kopf „das muss jetzt, schließlich drehen wir ein Video“ habe ich mehr von ihm gefordert, statt das Tempo herunterzufahren und kleinteilig zu erklären, was ich von ihm wollte. Das führte dazu, dass die Übergänge noch rumpeliger wurden – und zu allem Überfluss fing er auch noch an, nach außen zu schauen. Also genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich demonstrieren wollte.

Wir haben dann dennoch mit einer Einstellung aufgehört, wo er den Übergang auf der schwierigen Hand schön wie von mir gewollt ausläuft ohne zu blockieren. Lob, Streicheln, lange Pause fürs Pferd.

Nicht Gehorsam ist das Wichtigste

Im Nachhinein finde ich es hochgradig erstaunlich, dass Paledo trotz mir, meiner Einstellung und Stimmung, in der Lage war, das zu geben, was ich wollte.

Pat Parelli und andere amerikanische Horsemen sagen

Set it up for success – Bereite so vor, dass du Erfolg haben wirst.

 

Und ich habe das Gegenteil getan. Vor lauter Fokus auf meine Bedürfnisse hatte ich die des Pferdes aus den Augen verloren. Ich wollte Gehorsam, und habe dem mehr Wert beigemessen als dem Befinden des Pferdes. Paledo hat das trotzdem für mich aufgefangen.

Ich meine damit übrigens nicht, dass ich das Pferd bestraft habe oder nachtragend war oder nicht gelobt habe, wenn ich hätte loben müssen. Nein, ich habe einfach keine gute Lernatmosphäre geschaffen. War überkritisch, unnötig hart und habe seine Anstrengung nicht anerkannt, sondern immer mehr gefordert.


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Krass – ein anderes Wort finde ich nicht – war auch sein Verhalten am Ende der Einheit: Er klebte förmlich an mir. Paledo rückt schon gern mal ran, aber akutes Fast-in-mich-rein-Kriechen entspricht nicht seiner Persönlichkeit.

Tanja hat den Nagel mit ihrer Fern-Analyse auf den Kopf getroffen: Sein Verhalten hatte fast etwas Beschwichtigendes. Als würde er versuchen, mich herunterzufahren, zu erden und wieder zu einem ausgeglicheneren und damit besseren Pferdemenschen zu machen.

Ich finde, damit übertrifft das Tier sich selbst. Er übernimmt damit fast die Verantwortung für die Situation, verhält sich weitsichtiger und weiser als ich.

Denn schließlich hätte er die Situation auch eskalieren können. Sich weigern, zu gehorchen, mitzuarbeiten –  ich habe ihm gute Gründe dafür gegeben, sich so zu verhalten. Stattdessen besänftigt er und beruhigt er, und macht damit genau das, was mir vor Augen führt, dass ich es verbockt habe.  Anders als ich hat er sich als verdammt guter Lehrer erwiesen. Ich habe meine Lektion gelernt.

Gehorsam, Pferde Verstehen Blog

Dieses Foto entstand am Ende der Video-Session. Siehst du, das ich nicht gerade stehe? Das liegt daran, dass Paledo tatsächlich seinen Kopf an mich drückt. Foto: Marko

Deswegen: Passt mir auf eure Sanftmütigen auf! Jene Pferde, die uns nicht in unsre Schranken weisen, wenn wir es verdient hätten, die stets bemüht sind, alles richtig zu machen und deren Geduld so unendlich größer ist als unsre. Die immer noch ihr Bestes geben, auch wenn wir uns von unserer schlechtesten Seite zeigen. Ich glaube, sie verdienen unsere Aufmerksamkeit und unsere Wachsamkeit.


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PS: Ich habe nicht den Fehler gemacht, ein Pferd wegzuschicken, das meine Nähe sucht, nachdem ich mich wie jemand verhalten habe, dessen Nähe man eigentlich besser meiden sollte. Auch wenn es wichtig ist, dass mein persönlicher Bereich nicht einfach vom Pferd annektiert wird, dürfen wir den Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren. Es gibt Situationen, in denen wir die Nähe zulassen sollten und darüber Vertrauen aufbauen beziehungsweise wieder herstellen. Wegschicken und das Bestehen auf den Grenzen des eigenen Raums machen dann die Beziehung zum Pferd eher kaputt, als dass sie sie verbessern.

Pferde verstehen, Gehorsam

Petra schreibt hier, wie ihre Stute ihr gezeigt hat, dass sie ihr Verhalten ändern sollte.

Tanja erzählt hier von der Begegnung mit einem Pferd, das andere Vorstellungen hatte als sie.

Was einen guten Pferdeausbilder unter anderem ausmacht, liest du hier bei Wege zum Pferd.

 

 

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4 Kommentare

  1. Guten Morgen, Nadja…
    Heute melde ich mich hier erstmals zu Wort. Ich woillte mich bei Dir für Deine Blogs bedanken, die mir schon den Einen oder anderen wichtigen Impuls gegeben haben. DAmit meine ich unter Anderem den mit dem Inhalt der sicheren Planung, die dann wirklich Ängste mindestens vermindern kann. Denn so ganz risikolos ist unser Tun ja bisweilen nicht. Und unsere Vierbeiner reagieren auf unser Atmen- wie atmen wir? Schnell/flach/angespannt- oder tief und entspannt.

    Nun zu dem Artikel oben…
    Ich kenne es so gut, dieses… Ich steigere mich in etwas hinein, bin noch und noch und NOCH nicht zufrieden- und am Ende kommt das Pferd und beschwichtigt mich.
    Ich habe zwar vor Jahren schon gelernt, dass man das Pferd immer „im Reinen“ bzw. „im Guten“ entlassen sollte, dass es aber selbst kommt und mich „trösten“ will, lerne ich jetzt erst bei meinem Youngster- auch ein Projektpferd.
    Ich stelle dann häufig fest, dass mir auch an der Stelle/dem Tag/in der Situation ein Stück weit die Demut fehlte. Mit Demut meinte ich das Hintenanstellen der Eigenen zugunsten der Bedürfnisse des Pferdes.
    Was ich als kleines Mädchen in der Reitschule lernte, gilt immer noch und immer wieder neu: wenn etwas nicht klappt, bist Du in der Regel selber schuld (freundlicher: der Fehler im System). Die Fehlersuche wird reduziert, wenn ich nur bei mir selbst suche 😉

    Ich freue mich auf weitere Artikel mit Euch!

    • Hallo Silke,
      vielen Dank für deinen Kommentar und deine Zeit. Von einem Pferd gezeigt zu bekommen, dass man auf dem falschen Dampfer ist, ist in der Tat eine bemerkenswerte Erfahrung. Nicht angenehm, aber nötig. Wenn wir es von der anderen Seite betrachten, zeigt es uns auch, dass das Tier auch um uns bemüht ist. Was dann wiederum eine sehr schöne Erfahrung ist. Ich glaube, dass wir alle immer wieder Fehler machen werden und finde das auch nicht schlimm. Wir haben ja die Pferde, die uns drauf hinweisen, und die Bereitschaft aus den Fehlern zu lernen und es künftig besser zu machen. VG! Nadja

    • Hallo Silke,
      vielen Dank für deinen Kommentar und deine Zeit. Von einem Pferd gezeigt zu bekommen, dass man auf dem falschen Dampfer ist, ist in der Tat eine bemerkenswerte Erfahrung. Nicht angenehm, aber nötig. Wenn wir es von der anderen Seite betrachten, zeigt es uns auch, dass das Tier auch um uns bemüht ist. Was dann wiederum eine sehr schöne Erfahrung ist. Ich glaube, dass wir alle immer wieder Fehler machen werden und finde das auch nicht schlimm. Wir haben ja die Pferde, die uns drauf hinweisen, und die Bereitschaft aus den Fehlern zu lernen und es künftig besser zu machen. VG! Nadja

  2. Hallo Nadja
    Dein Bericht hat mir grade die Augen geöffnet. Zu oft geht es mir so selbst gefangen in meinen eigenen Glaubenssätze der Kindheit. Oft wird mir erst hinter her bewusst warum es nicht klappte. Es fällt mir schwer „einfach mal sein zu lassen“ , sprich weniger zu verlangen. Ich habe zwei Pferde die grade anders herum reagieren. Ich wunder mich dann warum sie mir nicht folgen oder sich mir beim Handwechsel in der freiarbeit im Round Pan nicht zu wenden. Ich bin oft sehr schnell verspannt in meinem Körper und hecktisch. Auf meinem Video sah ich dann erst mal wie viel Energie ich rein gegeben habe. Ich habe einen 3 jährigen Wallach erst seit 5 Wochen. Auf der einen Seite denke ich muss ich gehorsam lernen da er immer in meinen Bereich rein kommt und zu Beginn sogar an einem rum gefressen hat, auf der anderen seite tu ich ihn nur Maßregeln und das schadet im Vertrauens Aufbau. Wie kann ich noch sein Vertrauen aufbauen ? Ich möchte das er die Grenze lernt aber mit welchen Übungen baue ich vertrauen auf ? Meine einzige idee ist zur Zeit nur das frindly Game nach Parelli ab streichen. In seiner Nähe stehen und streicheln. Hast du noch einen Tipp ☺️

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