Jüngst im Stall: Der Friese ist aufsässig, hat zu viel Energie, bockt und schlägt mit dem Kopf. Nachdem er sich ausgetobt hat, absolvieren wir ein paar Runden zu Fuß um die Halle. Nebeneinander laufen, stehen bleiben, ein paar Schritte rückwärts, daraus wieder loslaufen. Ich achte darauf, dass er sofort reagiert und korrigiere streng, wenn er es nicht tut.
Das Gleiche frage ich auf dem Weg zurück in die Box ab (wo bereits Kraftfutter und frisches Heu warten). Laufen, stehen bleiben. Er reagiert sofort und überholt mich nicht.
Wir kommen an der Boxentür an – eigentlich will ich, dass er hineingeht. Stattdessen bleibt er mit mir stehen und wartet. Ich mache ihm das Halfter runter (dabei wird er zappelig, aber er versucht nicht, in die Box reinzustürmen), und er geht ruhig rein zum Futter.
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Diese paar Minuten konsequentes Führen haben ausgereicht, um ihn trotz Futter gehorsam warten zu lassen.
Ich denke, dass wir oft die Bedeutung des Führens unterschätzen: Man macht das eben so nebenbei um von A nach B zu kommen. Und es ist ja auch nicht so schlimm, wenn das Pferd mal kurz stehenbleibt um aus der Heuraufe am Paddock ein paar Halme zu zupfen. Und schlimmstenfalls ziehen wir es die paar Schritte hinterher. Für uns mag es nicht so dramatisch erscheinen, aber für das Pferd macht es einen großen Unterschied. Tania Konnerth schreibt in diesem Artikel warum das korrekte Führen so wichtig ist: Das Pferd stellt uns dabei Fragen.
Aus unserer Antwort oder unserer Reaktion leitet es sein Folgeverhalten ab. Häufig nehmen wir die Fragen nicht wahr oder unsere Antwort deutet darauf hin, dass wir auf korrektes Verhalten gerade keinen gesteigerten Wert legen. Und das Pferd denkt sich: „Ach, wenn ich beim Führen nebenbei Gras fressen kann, dann schaue ich mal, ob das beim nächsten Ausritt auch klappt.“ Konsequenz im Kleinen zahlt sich aus: Sie führt zu Gehorsam im Großen.
Richtige Führpositionen gibt es viele. Ich lege Wert auf zwei Dinge:
1. Ich führe das Pferd nicht eng. Würde ich das, mache ich ihm das richtige Verhalten (braves Mitlaufen) unangenehm, da es ständig Druck auf dem Halfter hat. Außerdem ziehe ich es am gespannten Strick auf mich drauf.
2. Das Pferd läuft nicht direkt hinter mir in meinem Rücken. Ich will meinen Rücken frei haben. Läuft das Pferd seitlich versetzt, kann ich es außerdem aus dem Augenwinkel sehen. Erschrickt es sich, und springt aus dieser Position nach vorne, dann springt es nicht in mich hinein. Das Risiko, dass das passiert, ist größer, wenn es direkt hinter mir marschiert.
Ansonsten ist es mir egal, ob ich auf Halshöhe, Schulterhöhe oder einige Schritte vor dem Pferd laufe. Wichtig ist, dass sich das Pferd aus jeder Position kontrollieren lässt und sein Tempo an meines anpasst.
Das eilige Pferd wird gern die Nase vorne haben, und das träge lässt sich tendenziell ziehen. Wenn ich dem eiligen also erlaube, vorn zu sein, muss das Anhalten auf mein Stehenbleiben hin funktionieren. Und das faule darf versetzt hinter mir laufen, wird aber nach vorn geschickt, wenn es anfängt, sich ziehen zu lassen. Man kann dem Pferd seine Vorliebe für gewisse Positionen durchaus zugestehen, es sollte aber auch auf den anderen gehen können.
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In Britta Reilands Buch „Bodenarbeit und Führtraining“ gibt es einen super Abschnitt zum Thema Führposition. Die Rezension findet ihr hier.
Alessa schreibt hier, dass sie die Führung auch mal ans Pferd abgibt.
Was Pfridolin Pferd zum Führtraining sagt, lest ihr hier.
Wanderrittführerin Julia berichtet bei Verwandert über ihre Art des Führtrainings.
Olaf von den Offenstallern hat noch ein paar Ergänzungen zum Thema Führen.
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Das Pferd direkt hinter mir im Rücken zu haben finde ich auch nicht so toll. Dafür liebt es meine Stute an einer langen Leine weit hinter mir zu schlendern – wie im Gänsemarsch, auf Abstand. Weil das irgendwie auch schön ist, auf einer Wanderung, lasse ich das manchmal auch geschehen – sofern ich das Gefühl habe sie auch jederzeit an meine Wunschposition zurückholen zu können. Ich versuche das Führtraining in meinen Alltag zu integrieren und finde immer wieder noch Stellen an denen es hakt, weil ich nicht konsequent genug war/bin. Vor vielen Jahren hat mir meine alte Reitbeteiligung mal von hinten die Schuhe ausgezogen beim Laufen, ich hab mich kaputt gelacht und war mir damals noch gar nicht bewusst, dass wir da ein Problem hatten! 😉
Und bei einem extrem nervösen, ängstlichem Pferd? Neu im Stall und Trennungsangst, wenn sie ihre Herdenkollegen nicht im Blickfeld hat?
Wenn ich meine Stute am kurzen Strick führe, drängt sie mich ab und schlägt mit dem Kopf. Und das Führen am kurzen Strick ist ja sowieso schwachsinnig. Nur wenn sie so extrem spinnt, habe ich sonst Angst, dass ich sie gar nicht unter Kontrolle habe.
Wenn ich ihr mehr Strick gebe, läuft sie aber logischerweise nach vorn, da hilft kein stärkeres Zupfen, Stehenbleiben oder mit dem Seilende vor ihrer Nase wedeln. Interessiert sie alles nicht, sie stürmt einfach nach vorn.
Irgendwelche Tips?
Hmmm, für mich klingt das so, als bräuchtest du zuallerst mal ihre Aufmerksamkeit. Wenn du mit dem, was du bisher getan hast, nicht erfolgreich warst, dann musst du mehr machen – also effektiv darin werden, dass du interessanter bist als was auch immer sie gerade anschaut. Ich würde versuchen, sie mehr zu beschäftigen und ihr wenig Gelegenheit geben, sich abzulenken. Und ich würde sie bei den anderen nahe der Herde arbeiten, um ihr zu helfen, die Trennungsangst abzulegen. Wenn sie im Kopf bei der Herde ist, wird sie da hinwollen und du schaffst einen Konflikt, wenn du sie davon abhälst (weil anderswo ist es ihrer Meinung nach besser). Also lass sie gehen, wo sie hinwill und zeige ihr dann, dass der Ort da doch nicht so toll ist. Das wären meine Vorschläge – unter Ferndiagnosen-Vorbehalt 🙂
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Ohja, du beschreibst es. Genau das Führen üben wir gerade. Anhalten, losgehen, stehen, rückwärtsrichten und vor allem auch STILL STEHEN: Für ein junges Pferd nicht immer einfach. Aktuell in der Pflegelphase meint der Herr er müsse nicht aus der Box raus. Auf Antippen mit der Gerte geht es. Wir üben genau all das gerade.
Bleib dran 🙂 Ich finde es bei den jungen manchmal schwierig, einen geschmeidigen Übergang zu schaffen zwischen absoluter Freiheit als Jungpferd auf der Koppel hin zu Fremdbestimmung durch den Menschen.