Ab und an äußert mal jemand sein Erstaunen darüber, dass der Projektwallach doch auf sehr wenig Hilfe sehr gut reagiert. Etwa beim Einparken zum Aufsteigen, beim Angaloppieren aus dem Stand oder einfach beim Trab in ordentlichem Vorwärts (ohne Dauereinsatz von Sporen und Gerte meinerseits. Sporen trage ich sowieso keine, die Gerte lege ich meistens Mitte der Einheit weg). Meistens kommt dann noch ein „das hätte ich jetzt nicht erwartet“.
Der Wallach hat eben nicht gerade den Ruf das bewegungsfreudigste Tier auf Erden zu sein, und ich mache ja auch durchaus Scherze auf seine Kosten. Stichwort: „Vorsicht, denk an dein Herz“ oder „Talentförderung“, wenn er mal wieder steht und sich keinen Zentimeter von sich aus bewegt.
Nichtsdestoweniger bin ich überzeugt, dass man auch die faulsten Pferde dazu bekommt, ordentlich zu laufen, ohne sich als Mensch dabei zu verausgaben.
Allerdings müssen wir dafür zumindest am Anfang von unseren hohen Ansprüchen und Erwartungen Abstand nehmen. Die sind nämlich gerade für trägere Pferde so hoch, dass selbst, wenn das Tier sich bemüht, es uns es nicht rechtmachen kann.
Wenn du dennoch an deinen Anforderungen festhalten willst, dann höre spätestens jetzt auf diesen Artikel zu lesen. In dem Fall habe ich dir nämlich leider nichts anzubieten. Wenn nicht, dann helfen dir vielleicht die folgenden 7 Tipps, dein faules Pferd zu motivieren.
Faule Pferde motivieren: Die Art der Hilfen
1. Feine Hilfen. Fange, egal was du vom Pferd willst, mit einer feinen Hilfe an – vor allem dann, wenn du erwartest, dass es sowieso nicht reagieren wird. Wenn wir gleich hart einsteigen, geben wir dem Pferd erst gar nicht die Chance, schon auf wenig zu reagieren. Wer nur derbe, harte Signale gibt, der erhält verdientermaßen auch nur langsame, verschleppte und unmotivierte Antworten. Dann rudern wir munter im Teufelskreis: Harte Einwirkung führt zu stumpfem Pferd, und stumpfes Pferd reagiert nur noch auf harte Einwirkung. Das Pferd kann nur fein reagieren, wenn wir fein fragen.
2. Steigere die Hilfen. Wenn das Pferd nicht auf wenig reagiert, dann mache mehr. Scheue dich nicht, dich durchzusetzen. Wichtig ist nicht, dass alles perfekt aussieht, sondern, dass du demPferd klarmacht, dass du es ernst meinst und es sich auf deine Ansagen verlassen kann.
3. Setze die Hilfen aus. Und zwar dann, wenn das Pferd richtig reagiert. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich höre immer mal wieder folgende Aussage: „Jetzt, wo er endlich am Zügel steht, lasse ich nicht mehr los, weil es sonst so lange dauert, bis ich ihn wieder da habe“. Was glaubst der Sprecher wohl, warum er nicht gerne in die Position kommt? Weil er dann fixiert darin bis zum Sanktnimmerleinstag bleiben muss! Buck Brannaman sagt in einem seiner Videos sinngemäß: „Your horse gives to you and you give to him – dein Pferd gibt dir nach und du gibst ihm nach“. Wenn wir die Zügel annehmen, und das Pferd gibt nach, dann geben wir dem Pferd etwas zurück, indem wir unserseits nachgeben und die Zügel loslassen. Anfangs jedes Mal, mit der Zeit halten wir die Verbindung länger.
4. Macht Pausen. Lass das Pferd am langen Zügel stehen und gib ihm Zeit, nachzudenken und etwas zu verarbeiten und schließlich sich zu entspannen. Und das nicht nur am Anfang und am Ende der Stunde, sondern immer mal wieder. Wenn das Pferd weiß, dass es auch innerhalb der Stunde ausruhen kann und nicht erst an deren Ende, wird es sich in den Intervallen dazwischen mehr anstrengen. Weil es sich auf Belohnung und die Pause verlassen kann. Pausierst du nicht, wird es stattdessen versuchen, seine Energie einzuteilen und möglichst sparsam über die Stunde hinweg einzusetzen – was definitiv nicht im Sinne des Reiters ist.
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Faule Pferde motivieren: Der Aufbau des Trainings
5. Lass los und gib Verantwortung ab. Auch wenn es schwer fällt: Sag dem Pferd nicht ständig, was es tun oder besser machen soll. Nichts ist nerviger als ein Mensch, der andauernd Hilfen gibt und mit der Peitsche wedelt und der einfach nicht in der Lage ist, die Dinge (und das Pferd) einfach mal laufen zu lassen. Es hilft dem Pferd nicht, zu verhindern, dass es Fehler macht. Lass es Fehler machen, korrigiere diese und helfe dem Pferd, daraus zu lernen statt es dauerhaft zu bevormunden. Übertrage dem Pferd Verantwortung und vertraue darauf, dass es diese erfüllen wird.
6. Setze Prioritäten. Arbeite nicht an allem gleichzeitig. Das Pferd soll in schöner Haltung flott auf dem Zirkel am Seil traben? Dann arbeite erst am Grundgehorsam: Das Pferd soll auf das erste Signal hin losmarschieren, ohne Zug am Seil die Richtung wechseln, Vor- und Hinterhand verschieben können. Mit dem Grundgehorsam kommt das Tempo. Dann ist das Pferd bereit, sich mehr anzustrengen und denkt nicht bei jedem Schritt daran, Energie zu sparen. Mit dem Tempo kommt dann die Form ins Pferd. (Mit Tempo meine ich nicht blindes Voranstürmen im Stechtrab, sondern ein gutes Vorwärts. Das ist dann der Fall, wenn das Pferd weder daran denkt, auszufallen, noch daran, einen Gang höher zu schalten).
Pat Parellis Formel für das Beschriebene lautet „rapport, respect, impulsion, flexion“ (Beziehung, Respekt, Impulsion, Flexion): Der Grundgehorsam fördert Beziehung und Respekt, dem folgen das Vorwärts und abschließend die Biegsamkeit im Pferdekörper. Alles fügt sich dann zur Versammlung zusammen.
7. Gib dem Pferd einen Sinn. Von Warwick Schiller habe ich zum ersten Mal folgenden Tipp gehört: Wenn man einen Körperteil des Pferdes verändern will, dann spricht man dieses Körperteil nicht direkt an, sondern verlangt eine Übung, die das Pferd nicht absolvieren kann, ohne das Körperteil so einzusetzen, wie wir uns das wünschen. Warwick erklärt hier in eigenen Worten, warum dieser Ansatz sinnvoll ist. Ich finde diesen Ansatz so wichtig, weil er dem Pferd einen Sinn gibt. Ich sage ihm also nicht „Setz dich mehr auf die Hinterhand“, weil ich das so klar gar nicht kommunizieren kann. Stattdessen verlange ich einen Richtungswechsel auf dem Zirkel (am Seil). Habe ich mein Pferd gut auf das Gefühl des Seils ausgebildet, dann wird es die Richtung wechseln, indem es die Vorhand herum schwingt und sich mit den Hinterbeinen abdrückt – und damit habe ich den vermehrten Einsatz der Hinterhand, ohne direkt danach gefragt zu haben.
Weitere Hilfsmittel, die dem Pferd helfen einen Sinn hinter Übungen zu erkennen, sind optische Markierungen, seien es Hütchen oder Stangen, und Muster (Patterns). Mehr zu dem Thema gibt es hier.
Christina berichtet hier, wie ihr ein abgestumpftes Pferd wieder fein bekommt.
Tanja schreibt hier über die Bedeutung von feinen Hilfen und gibt Beispiele.
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Ein schöner Bericht . Ich habe auch so eine Stute … An der Longe … Sehr faul … Unter dem Sattel wird es immer besser aber sobald sie auf der Weide steht ist sie so unruhig ist nur am Rennen, dass man glauben könnte, es handelt sich um ein anderes Pferd. Sie ist denn immer sehr froh wenn ich sie in den Stall hole … Sie steht natürlich nicht alleine auf der Weide.
Danke für Lob und Kommentar 🙂 Hmmm, das klingt komplex. Ist sie ein ängstliche Pferd? Paledo, der Schwarze auf den Fotos, ist eigentlich eher eine gechillte Natur, aber wenn er Angst hat, dann friert er ein und wird noch langsamer. Vielleicht ist das Langsam-Sein deiner Stute eher eine Form von Überforderung oder Problemen mit dem Verständnis? – Nur so eine Idee, Ferndiagnosen sind ja immer problematisch. VG! Nadja
Pingback:Dein Pferd MOTIVIEREN – zusammeneins
Da sprichst du mir mal wieder aus der Seele. Genau nach den Prinzipien arbeite ich, nach wenigen Einheiten merke ich sogar bei ganz lustlosen Exemplaren eine deutliche Veränderung. Die kommen mit einer ganz anderen Stimmung und mit viel mehr Motivation auf den Reitplatz.
Hallo Nina, danke für deinen Kommentar! VG Nadja
Hallo Nina, danke für deinen Kommentar. Ich habe dein heiligen Gral zur absoluten Motivation noch nicht gefunden, aber die 7 Tipps helfen mir auch immer wieder. VG! Nadja
Hi ein sehr schöner Beitrag
Zurzeit reite ich ein 10 jährigen m Wallach .
Sowohl an der Lounge aber Grade im Sattel Krug ich ihn gar nicht zum laufen .ich Krug ihn stellen weiße nicht angefragt und in den Galopp erst Recht nicht. Langsam bin ich echt überfragt
LG
Tolle Tipps, so ist mein Pferd auch motivierter geworden zumindest teilwiese ich glaube ganz weg bekommt man es nicht gehört ja irgendwie zum charakter. Es hilft auch nach dem zu suchen, was dem Pferd spaß macht, auch wenn es da zunächst nicht zu geben scheint. Mein Pferd hat zum Beispiel mehr Spaß an Freiarbeit und Trailhindernissen.