Herbstliebe

Herbst Pferde verstehen

Zum Reiten gibt‘s nur zwei ideale Jahreszeiten: den Frühling und den Herbst. Im Winter ist es zu kalt, zu glatt, die Pferde sind steif und spannig, Ausreiten erinnert entweder an Schlittschuhfahren oder an Schlammcatchen. Im Sommer ist es zu heiß, zu viele Bremsen und Mücken, die Pferde sind träge und stehen lieber im Schatten auf der Koppel als ihre Beine durch den Sand in der Halle zu ziehen und sich eine Staublunge zu holen.
Bleiben noch die Übergangszeiten vom Kalten ins Warme und vom Warmen ins Kalte, dann, wenn die Temperaturen und die blutgierigen Insektenanstürme moderater ausfallen, wenn sich Faulheit und Bewegungsfreude, Hitze und Kälte die Waage halten. Frühling und Herbst eben.

Während das Gros der Menschheit auf den Frühling lauert und sich auf den Sommer freut, lauere ich auf den Spätsommer und freue mich auf den Herbst.
Herbst Pferde verstehenSchon zu Schulzeiten waren mir jene Menschen ein Rätsel, die sich unter die pralle Mittagssonne an den See legten, in regelmäßigen Abständen vom Rücken auf den Bauch (und andersrum) rotierten, und dort stundenlang grillen konnten. Nicht nur, dass meine Haut Blasen geworfen hätte – mir wäre der Kopf geplatzt. Dann lieber in den Schatten, am besten bei einer leichten Brise. Ich kann mich im Sommer nicht genug ausziehen – mir ist immer warm. Im Winter dagegen kann ich schon genug anziehen, damit mir nicht kalt ist.

Herbst Pferde verstehenEntsprechend liebe ich die Tage, wenn sich der Herbst ankündigt. Heute war so einer. Morgens um halb neun war die Luft schon so klar. Ich habe dann häufig den Eindruck, ich könnte die Blätter der Baume auf dem Nachbarberg zählen und ihre Grüntöne kategorisieren, weil ich alles so deutlich wahrnehmen kann. Die Spitzen der Kronen sind schon nicht mehr durchgängig saftig grün – der erste Gelbstich, die erste Nuance Braun hat sich bereits eingeschlichen. Hitze und Schwüle hat der Wind mitgenommen – was er hinterlässt, ist Reinheit.

Herbst

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Herbst Pferde verstehenHerbst Pferde verstehen
Der Herbst reduziert die Extreme, der Herbst macht sanft. Während im Frühling alles zackig voran geht, die Pflanzen in die Höhe schießen und nach der Sonne gieren, fühlen sie sich im Herbst bedächtiger an – als ob sie die Sonne genießen im Wissen, dass sie bald nicht mehr so warm auf den Blättern liegen wird. Der Frühling lässt mich an hellblau und lila denken, an hellgrün und zitronengelb. Der Herbst bringt rot, orange, braun und sonnengelb. Und moosgrün. Er nimmt aus den Farben die Kälte (und anhand meiner Blogfarben könnt ihr ja schon sehen, welche ich bevorzuge).

Ich liebe den Herbst. Wenn eine Brise weht und die Luft kühl genug ist, um daran zu erinnern, dass das Jahr sich dem Ende entgegen neigt. Wenn die Sonne aber immer noch genug Kraft hat, Pferdefell und den eigenen Rücken in der leichen Jacke zu wärmen.

Herbst Pferde verstehenGerade bei uns auf dem Land ist er trotz der Melancholie, die seine Ankunft begleitet, auch eine Jahreszeit des Überflusses. Wenn ich vom Stall auf die Koppel gehe, dann komme ich zuerst an zwei Birnenbäumen vorbei, deren Früchte mein Projektpferd vor wenigen Wochen noch naserümpfend ignoriert hat. Jetzt fallen sie eine nach der anderen vom Baum und platzen auf – so reif sind sie. Und das Pferd sabbert und schlürft sich durch das süße Fruchtfleisch (ich mag keine Birnen, sonst würde ich mitessen). Weiter unten an der Abbiegung zur Brücke hat der Pflaumenbaum seine Früchte auf die neue Steineinfassung des Baches abgeworfen.

 

Herbst Pferde verstehen Überall Kerne und lilafarbene Pflaumenhaut. Direkt um die Ecke tritt man bei nahezu jedem Schritt auf Haselnüsse, die sich langsam von hellgrün zu haselnussbraun umfärben. Vorbei am knorrigen Birnenbaum, den das Projektpferd bevorzugt – und, lässt man es – dessen Umfeld er gerne nach der nächsten Birnenlieferung absuchen würde. Weiter oben dann die Apfelstraße. Die Bäume links und rechts vom Weg haben so viele Äpfel fallen gelassen, dass Mensch und Pferd auf ihnen Rollschuh fahren könnten. Das Pferd schielt aber weniger auf das Obst – zu sauer, zu faulig, zu viele Fliegen – sondern eher auf das lange Gras am Wegesrand. Ganz oben am Tor streckt dann noch der Brombeerstrauch seine Äste samt Beeren aus – wobei deren Zeit schon fast abgelaufen ist. Gegenüber, auf der anderen Seite des Koppelzauns und vereinzelt links und rechts wachsen Hagebutten in kräftigem Rot.

Herbst Pferde verstehenVor ein paar Jahren erwischten wir für unsere Winterkoppel-Herrichtungs-Aktion so einen perfekten Herbsttag, Anfang Oktober: blauer, klarer Himmel mit Brise, das Gras noch nicht welk, noch saftig, rot-gelbe Blätter an den Brombeersträuchers samt lilafarbenen Früchten und nebendran das Rot der Hagebutten. Über uns das vereinzelte Schreien eines Bussards. Besser wird‘s nicht.

Seid ihr auch so Jahreszeiten-fanatisch wie ich? Wenn ja, an welcher hängt euer Herz?

PS: Ein Nachtrag zu den unendlichen Vorteilen des Herbstes: Mein Projektpferd wird wieder schwarz und das Fell schön flauschig.

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4 Kommentare

  1. Mal sehen wie das bei mir wird, wenn ich die Jahreszeitenliebe an die Pferdeliebe anpasse, aber bisher waren Frühling und Sommer meine liebsten Jahreszeiten. Dann wenn man nicht 30 Schichten braucht, um nicht festzufrieren – sonern morgens ein paar Sandalen und ein leichtes Shirt ausreichen und man Abends bis 22 Uhr sitzen und reden kann. Liebe Grüße, Petra

    • Das mit dem Abends lange sitzen können ist schon ein Vorteil des Sommers, den selbst ich nicht leugnen kann 🙂

  2. Na, nach diesem wunderschönen Liebesbrief an den Herbst ist meine Lieblingsjahreszeit jetzt auch der Herbst. 🙂
    Nee, Spaß beiseite. Ich hab jetzt eine Weile überlegt, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich keine Lieblingsjahreszeit habe. Ich finde gerade den Wechsel toll und die Vorzüge, die jede Jahreszeit hat. Ich liebe das Erwachen des blühenden Lebens im Frühling, die langen Sommertage, den bunten Herbst und den gemütlichen Winter. Jede Jahreszeit hat ihre Vor- und Nachteile. In Pferdeangelegenheiten gebe ich Dir aber Recht: Da sind Herbst und Frühling ganz weit vorne! 🙂

    • Stimmt schon. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Länder weiter im Norden oder näher am Äquator lang nicht so mit Jahreszeiten ausgestattet sind wie wir. Leben schon in einer privilegierten Zone hier 🙂

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