"1000 Ausreden" – Olaf von den Offenstallern über Pferdesprache, Fragen und richtige Antworten

Heute gibt es einen Gastbeitrag von Olaf Schröder von den Offenstallern. Wie der Name schon sagt, geht es ihm auf seinem Blog um die Offenstallhaltung. Außerdem schreibt er über Natural Horsemanship – und das tut er jetzt auch hier :)Es begegnet uns immer wieder, etwas, was uns im Weg ist. Ich denke, eine der größten Herausforderung im natürlichen Umgang mit Pferden ist das Ablegen menschlicher Ausreden. Warum machen Ausreden das Leben so schwer, und warum gibt es diese Ausreden?

Ausreden entstehen durch Stolz, Unwissenheit, Wege abkürzen zu wollen, den Sog einer Stallgemeinschaft zu folgen, weil alle etwas tun, egal ob es richtig oder falsch ist, oder einfach etwas Dummes unbedingt durchziehen zu wollen.
Meist sind die Dinge rund ums Pferd sehr simpel. Pferde sind einfach gestrickt, sie beherrschen kaum Wenn-dann-Beziehungen und leben immer im Hier und Jetzt. Komplexe Zusammenhänge sind ihnen fremd.
Als Fluchttier steht Sicherheit an erster Stelle, und um diese zu gewährleisten haben sie über viele Jahrtausende ein Verhalten entwickelt und Sinne geschärft, die ihre Sicherheit garantieren. Dazu ist es wichtig zu verstehen, dass sie uns intellektuell unterlegen sind, aber in vielen Bereichen schärfere Sinne haben.
Pferde sehen aus Entfernung, ob sich ein Busch um wenige Zentimeter bewegt, dahinter könnte also eine Gefahr lauern, es wird zum Ranghöheren geschaut, und wenn dieser Flucht signalisiert, ist Flucht angesagt. Wenn der Ranghöhere aber ruhig ist und längst erkannt hat, dass keine Gefahr droht, steckt die gesamte Herde den Kopf wieder ins Gras.
Pferde verstehen, Offenstaller, Ausreden
Es ist unsere Aufgabe, die Sprache der
Pferde zu lernen. Nicht andersherum.
Foto: Marko

Wir Menschen interpretieren die Dinge oft falsch und geben die verkehrten Signale.

Immer wieder hört man von Reitern, um ein Pferd effektiv vor dem Durchgehen zurückzuhalten, benötigt man im Zweifel eine scharfe Trense mit Gebiss, die FN geht sogar so weit zu behaupten, alles andere wäre im Gelände verantwortungslos und fahrlässig. In Wirklichkeit ist es nur eine Ausrede, die Bedürfnisse eines Pferdes nicht verstehen zu lernen.

Wenn mein Pferd im Gelände durchgeht, dann habe ICH versagt, weil ich seine Frage nicht rechtzeitig beantwortet habe. Wir können sicher sein, dass, wenn das Pferd uns als Führer erst akzeptiert hat, es immer fragen wird. Bekommt es keine Antwort, stellt es simpel nur unsere Führungsqualität in Frage und muss auf Grund seines Fluchtinstinktes selber eine Entscheidung treffen. Nicht unsere Ausrüstung gibt uns Sicherheit.

Nicht selten wird dann der Mensch zum Passagier (rangniedrig). Und ja, auch ein Stacheldraht durchs Maul würde ein Pferd in einer wirklich brenzligen Situation nicht abhalten durchzugehen. Einzig Ruhe, Sicherheit des Menschen und eine klare Kommunikation auf Pferdeniveau ist hilfreich. Mein Pferd halte ich in solchen Situationen mit Ausatmen, Vertrauen und Fokus, mehr ist nicht notwendig.

Zum Thema Helm, auch wenn er tatsächlich einen Sturz mildern kann, wird dieser doch sehr oft benutzt um etwas Dummes zu tun. Muss ich mit einem Pferd wirklich 1,60 Meter springen? Muss ich wirklich allein ausreiten, wenn ich weiß, mein Pferd und ich sind noch nicht so weit? Muss ich über den tobenden Fluss, wenn ich selber Angst habe? Viele meinen ja: „ich zeig‘ dem Pferd mal, wer der Chef ist“ – bewaffnet mit scharfem Gebiss und einem Helm zur Sicherheit des Kopfes wird das gerade gebogen. Dabei sollte der Kopf vorher einfach mal benutzt werden, das Pferd gut auf seine Aufgabe vorbereitet werden, und vor allem sollte man selbst vorbereitet sein und jegliche Signale eines Fluchttieres verstehen und wissen, wie man antworten kann.

Es gibt sehr viele Ausreden in der Reiterwelt. Am Ende, stelle ich fest, sind es immer die gleichen Märchen, um sich vor seiner wirklichen Aufgabe zu drücken: Die Pferde zu verstehen. Wir müssen nicht das Pferd zu uns herab regeln, sondern uns auf das Level eines Pferdes heraufarbeiten. Kommunikation mit Pferden heißt die Sprache der Pferde zu sprechen, wir können ihnen nicht die Sprache von Raubtieren beibringen.

Autor: Olaf Schröder

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7 Kommentare

  1. Du schreibst mir aus der Seele!
    Ich weiß nicht, warum die Leute sich permanent der Illusion hingeben ein 500kg-Tier mit einem Stück Metall bremsen zu können.

    Letztens kam mir doch tatsächlich beim Ausreiten eine Frau entgegen, die Ausbinder auf ihrem Pferd hatte. Im unwegsamen Gelände. Auf meine Nachfrage ob sie noch alle Murmeln im Tütchen hat guckt sie mich nur groß an und meint "Aber ohne rennt er ja nur". Unglaublich… Um deine Worte zu zitieren sollte bei manchen der Kopf besser mal benutzt werden.

    Liebe Grüße,
    Christina

    • Ja die Ausbinder sind auch ein beliebtes Beispiel für die Ausrede nicht reiten lernen zu wollen. Leider wird schon in vielen klassischen Ausbildungsschulen genau das auch noch gelehrt.

  2. Reinhard Habichtsberg

    a und gut geschrieben. Im Prinzip richtig, was im Artikel steht, nur sind die Zusammenhänge vielfältiger und die Beziehungen auch zwischen den Pferden vielschichtiger. Es gibt nicht immer dasselbe Pferd in jeder Situation den Ton an. Das wechselt. So hat in Stall mein Wallach das Sagen, im Gelände ist es die (erfahrenere) Stute. Und hoffentlich ich noch ein bisschen mehr  . Und auch ein Satz zur Seite kann zum Absturz führen, darum ist es durchaus legetim, sich dafür zu entscheiden, mit Helm zu reiten.

    • Ja es ist natürlich legitim einen Helm zu tragen. Nur leider wird dieser gern als Ausrede benutzt und gerade junge Reiter haben schnell eine verkehrte Wahrnehmung. Ich habe ein Gebiss zum bremsen und der Helm schützt mich also bin ich ready ein paar wirklich dumme Dinge zu tun.
      Und ja Pferde wechseln gern die Hierarchie. Meist passiert das aber nur in unserer Menschenwelt. Der Hengst in einer wilden Herde wird seinen Posten nicht so schnell aufgeben. Die Leitstute meist auch nicht. Auf einem Ausritt sieht das ganz anders aus. Setz den sichersten erfahrensten Reiter auf ein rangniedriges Pferd und er führt die Gruppe. Setz einen Ägstlichen Reiter aufs sicherste Pferd und plötzlich heisst es im Gelände ist das Pferd nicht mehr so der Chef. Sollte es auch nicht der sicherste Reiter ist der Ranghöchste das Pferd verlässt sich drauf denn es ist Nummer 2. Zudem ist jeder Reiter mit seinem Pferd eine 2er Kombi in der der Reiter hoffentlich die 1ist. Sonst orientiert sich das Pferd am Team vor ihm.

  3. Das 1 x 1 für Pferdebesitzer und Reiter

    Das mit der Reitkappe, finde ich so auch unnötig, denn viele lesen nur das, was sie wollen. Auch wenn du es anders meinst, wird es sicherlich gerne falsch verstanden.
    Ansonsten stimme ich allem zu.

    • Ich bin zwar nicht die Autorin, antworte aber trotzdem mal 🙂 Für mich ist "viele lesen nur, das was sie wollen" ein absolutes Totschlagargument. Wenn ich mit der Prämisse schreibe, Leute nicht auf falsche Gedanken bringen zu wollen bzw. unmissverständlich zu schreiben, dann müsste ich mit dem Schreiben aufhören – denn es wird immer irgendwen geben, der mich missversteht oder missverstehen will. VG! Nadja

  4. Habe gerade deine Ausführungen gelesen und gehe da voll mit dir: Wenn wir wirklich versuchen WÜRDEN, die Pferdesprache zu verstehen, könnte sich in vielen Pferd-Mensch-Beziehungen so viel ändern! Vorher sollte man sich allerdings auch fragen: was will ich, wenn ich mit meinem Pferd zusammen bin? Und genauso wichtig: was will ein Pferd, wenn es mit dem Menschen zusammen ist? Um mit Pferden in Kommunikation treten zu können, muss man auch erst einmal wissen, was diese oder jene unserer Körperbewegung und Gesten für ein Pferd heisst, bzw. vom Pferd übersetzt wird. Ein Pferd fragt immer…ganz leise, mit kleinen Gesten…Wenn wir diese nicht verstehen, ist unsere Antwort wolmöglich eine völlig falsche. Über dieses Thema gibt es von Gertrud Pysall sehr gute Information. Sie beschäftigt sich mit der Pferdesprache seit 25 Jahren, hat sie entschlüsselt, erprobt und gibt super Anleitungen und vor allem Erklärungen in ihren 2 Büchern.
    Diese Art von Umgang mit dem Pferd ist dann ein ganz anderer: ich mache Bodenarbeit so viel lieber und ohne Halfter (wir benutzen eh keine Trensen oder auch nur irgendetwas im Maul !!), nur mit dem Seil in der Hand , auf einem viereckigen Platz (wo Pferd sich auch mal in eine Ecke zurück ziehen kann). Nur Pferd, ich (meine Lehrerin im Hintergrund, sie übersetzt mir noch viel;)…) und ich scharre, schnaube, wälze mich…wenn nötig. Das ist Kommunikation auf Pferdeebene.
    LG,Beate

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