Ausrüstungsfragen – von Kuschel-Strick und Flauschi-Halfter

Slapstickeinlage: Ich führe den Friesen und einen seiner Kumpel (den ich noch nicht gut kenne) in Richtung Koppel. Der Friese will nicht und hängt ständig im Halfter, sein Kumpel dagegen ist ganz wild darauf, endlich wieder Gras unter den Hufen zu haben. Was ihn aber nicht davon abhält, links und rechts nach Zwischenmahlzeiten Ausschau zu halten. Und so kommt’s, dass sich ein zügig, aber gesittet am langen Seil neben mir her laufender Wallach in Sekundenbruchteilen in eine Apfelsondierungs- und fressmaschine verwandelt. Schneller als ich schauen kann, macht der einen Bogen nach rechts, um sich einen angegammelten Apfel einzuverleiben – und zieht mich hinterher.
Ich war nicht nur leicht überrumpelt, sondern auch völlig hilflos. Und das hatte auch etwas mit der Ausrüstung zu tun. Der Apfeljäger trägt nämlich ein schönes Webhalfter mit einem weichen Nasenteil aus Fleece. Auch der Nacken ist bequem gepolstert. Und dazu einen Baumwollstrick, der zwar offiziell zwei Meter lang ist, sich gefühlt aber auf fünf dehnt, wenn das Pferd im Fleecehalfter nur kräftig genug zieht (und das tat er mit dem Apfel vor Augen). Ich hatte das gleiche Strickmodell (wegen der Farbe) auch für meinen Projektwallach gekauft – aber schnell wieder aussortiert.
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Unser Halfterbaum. Foto: Nadja

Das Problem bei diesen auf den ersten Blick sehr pferdefreundlichen, da sanft wirkenden und weichen Materialien: Sie nehmen dir sämtliche Argumente aus der Hand. Selbst wenn ich mich mit meinem ganzen Körpergewicht gegen das Flauschi-Halfter stemme und den Kuschel-Strick mit ganzer Kraft aus meinem Schultergelenk schüttele. Das Pferd wird davon wenig beeindruckt bleiben, da wenig bei ihm ankommt.
Trägt das Pferd ein Knotenhalfter mit Seil, ändert sich das Szenario. Das Seil des Halfters ist dünn, da hängt man sich nicht besonders gern rein. Das Leadrope dehnt sich nicht, was mir hilft, den Druck genau zu dosieren. Der Apfeljäger wäre so ausgerüstet dennoch auf das Obst seiner Begierde los. Ich hätte ihn aber schnell davon überzeugen können (ohne schlagen oder ziehen, sondern durch schlichtes Gegenhalten), dass das nicht seine beste Idee des Tages war.
Das Gute am Knotenhalfter: Sobald das Pferd mit dem Gegenziehen aufhört, spürt es keinen Druck mehr am Kopf (also nicht mehr, als das Gewicht des Halfters mit dem Seil). Das Knotenhalfer belohnt das Pferd automatisch für die richtige Reaktion, und macht die falsche – das Gegenziehen – unangenehmer als ein normales Webhalfter. Das passt sehr gut in die Philosophie des Horsemanship, und deswegen sind Knotenhalfter dort auch so weit verbreitet (und weil die alten Cowboys keine Metallösen und -schließen hatten, und sich ihre Halfter eben aus dem zur Verfügung stehenden Material zusammenknoteten).
Manchmal steht uns die Ausrüstung bei der Ausbildung unserer Pferde im Weg, nämlich dann, wenn sie dem Pferd ein Verhalten erleichtert, das wir nicht wünschen.

Es spricht natürlich nichts dagegen, Flauschi-Halfter oder normale Webhalfter einzusetzen. Das würde ich allerdings erst dann tun, wenn das Führen einwandfrei klappt – und der Apfeljäger verstanden hat, dass Selbstbedienung von uns nicht erwünscht ist 🙂

Ausrüstung, Pferde verstehen*

Ausrüstung

Warwick Schiller erklärt in diesem Video, wie ein gut sitzendes Knotenhalfter aussieht, wie man es anzieht und wie man es knotet.

Hier ging es schon mal um Führstricke und um unangenehme Konsequenzen bei falschem Einsatz.

 

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4 Kommentare

  1. Man kann es ja auch positiv sehen: Der Apfeljäger wollte bestimmt nur sparen helfen. Von wegen Selbstversorger und so 🙂

    • Das muss es gewesen sein! Das Pferd ist ein Altruist (sagt man das bei Pferden auch so?), und wenn er vor dem Koppelgang den Bauch voller Äpfel hat, dann bleibt mehr Gras für die anderen 🙂

  2. Bei Dir lese ich überhaupt zum ersten Mal, dass es Flauschi-Halfter und Kuschel-Stricks gibt. Hätte ich nicht gespannt bis zum Ende gelesen, wäre ich wahrscheinlich los und hätte allein des Namens wegen ein Flauschi-Halfter gekauft 😉 Noch habe ich nullkommanichts zu Hause, aber meine erste Anschaffung wird ein passendes Knotenhalfter sein, aus genau den von Dir beschrieben Gründen. Alle Trainer, die mir über den Weg gelaufen sind (vielleicht weil ich so Horsemanship begeistert bin) nutzen Knotenhalfter. Dass sie das gewünschte Verhalten angenehm machen, weil sofort der Druck entschwindet, sobald das Pferd nicht in Richtung Apfel düst, ist eigentlich logisch, hatte ich aber vorher nicht bedacht. Insofern bekräftigst Du meinen Entschluss noch, mir ein Knotenhalfter in den Schrank zu hängen. Das waren jetzt viele Worte, um zu sagen: Super Artikel, danke! ;-)) Liebe Grüße, Petra

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