Die Straße zum Stall ist zurzeit eine Großbaustelle. Bagger in verschiedener Ausführung, Lastwagen mit Anhänger, Kipplaster fahren kreuz und quer, dazu wird die Straße aufgerissen und wechselt gefühlt jeden Tag den Belag, mal Teer, mal Matsch, mal Schotter. Auf dem Weg von und zur Koppel führen wir unsere Pferde da vorbei – eigentlich müsste es heißen: da durch.
Manchmal wird das eng, räumlich gesprochen. Gestern war die Lücke zwischen Baggerraupe und rot-weißer Barke am Rand des kleinen Bachs, der parallel zur Straße fließt, nicht breiter als eine normale Wohnungstür. Die Maschine brummte vor sich hin, am Schwenkarm baumelte diese riesige klauenartige Schaufel. Mein Projektwallach geht durch diesen Terror wie durch fast alles in seinem Leben: mit unerschütterlicher Ruhe. Der eine Baggerfahrer fragt immer so nett, ob er die Maschine ausmachen soll oder entschuldigt sich, wenn es gerade nicht machbar ist. Alles kein Thema für dieses Pferd.
Wir standen gerade auf der Brücke (die komplett abgebaut und neu aufgeschüttet wurde) über den kleinen Bachlauf, da blieb das Pferd stehen – mit Hintern zur Baustelle – um nach einer Bremse zu beißen. In dem Augenblick rüttelte der Kipplaster seine Steinladung von der Ladefläche, und die Abschlussklappe flog mit einem metallischen Knall auf. Mein Projektpferd hat nicht mal mit einem Ohr gezuckt.
Ich glaube, beim nächsten Mal Vorbeigehen werde ich anhalten. Damit er etwas Baustellenkino schauen kann. Ich habe den Eindruck, er findet das nicht uninteressant; er geht auch gern mal näher hin und berührt Maschinen oder Absperrbänder mit der Nase.
Der Weg ins grüne Paradies führt zurzeit durch eine Baustelle. Foto: Marko |
Diese absolute Gelassenheit ist nicht antrainiert, die steckt im Pferd. Sie bringt mich immer wieder zum Staunen, aber vor allem habe ich eines: Respekt. Respekt davor, dass das Tier den Lärm, die Baumaschinen, die sich ständig veränderte Umgebung als nicht bedrohlich einstuft. Respekt vor seiner Anpassungsfähigkeit und Klugheit, die Lage richtig einzuschätzen – schließlich wären Angst oder Flucht angesichts der Situation eine angemessene Reaktion für ein Pferd. Manchmal wünsche ich mir diese Gelassenheit und Souveränität für mich selbst in Situationen, die mir nicht geheuer sind.
Wirklich sehr beeindruckend, Dein Projektpferd. Und ich finde es toll, dass Du das für Dich auch erkennst. Ich hoffe sehr, dass Soudi als Großer auch so gelassen, vertrauensvoll und klug sein wird, dass er in einer solchen Situation so ruhig bleibt. Richte Deinem Projektwallach mal aus, dass er auf jeden Fall auch meinen Respekt hat. So gelassen bleibe ich auch nicht, wenn ich mich grusel. 🙂
Ach, vergessen: Das Foto sieht ja wirklich nach einem grünen Paradies aus!
Danke! Und ich überbringe die Grüße in Form einer Birne 🙂 Ich denke, dass die Reaktionsfreude von Pferden Dispositionssache ist – und so wie du deinen beschreibst, scheint er ja auch eher auf der sicheren Seite zu stehen.
Ja, ich denke das kann ich wohl behaupten. 🙂 Wir lernen uns ja weiterhin kennen, aber Soudi hat etwas an sich, das ich noch bei keinem anderen Pferd so extrem hatte: Wenn er etwas gruseliges sieht, dann bleibt er stehen und man sieht richtig wie es in seinem Köpfchen arbeitet. Er kriegt dann diesen Blick und man hat das Gefühl, dass er tatsächlich abwägt. Zuerst dachte ich, das wäre vielleicht RBI-Einfrieren, aber das ist es nicht. Weiß nicht, ob Du Dir darunter was vorstellen kannst, aber ich finde das so niedlich bei ihm… 🙂
Ich hatte bis vor Kurzem ein Projektpferd (es ist sogar oben auf dem Bild zu sehen :)), das mich sehr an deinen erinnert (so wie du ihn beschreibst). 6 Jahre alt, eine Partynase vor dem Herrn und sehr unerschrocken. Er konnte zwar auch ticken wie der Teufel, aber den Blick, den du beschreibst, den hat er auch. Er reckt dann die Nase nach oben, das Maul ist leicht offen und er beobachtet (er glotzt nicht). Und daraus hat er sich in den seltensten Fällen erschrocken. Die normale Reaktion war danach eher Entspannung, nach dem Motto "War ja doch nicht so wild". Ich hab heute übrigens noch einen Koppelkumpel vom Dicken mit durch die Baustelle gezogen. Es war schon ein bisschen absurd. Bagger, dröhnende Maschinen, laufende Kompressoren und eine Lücke, dass die Pferde gerade so durchlassen: kein Thema für beide. Ich hab sie natürlich ausgiebig gefeiert. Dann kamen kurz hintereinander ein weißer Kastenwagen und ein Liegefahrrad mit Wackelwimpel. Da war beim Kumpel schon eher Glotzen angesagt. Und dann – oh Gott! – ein Nachbar, der im Vorgarten Unkraut jätet. Das arme Pferd hätte fast einen Herzanfall erlitten, so wie der geschaut hat. Ist beinahe in den Dicken reingekrabbelt (gut, dass nicht ich die erste Wahl war :)). Das muss einer verstehen: Terrorbaustelle, kein Problem, unkrautjätender, gebückter Mann: potentielle Gefahrenquelle 🙂
So schön geschrieben! Besonders gut gefällt mir deine Reflektion auf dich am Ende… genial!
vielen Dank 🙂 !