Vom Suchen und Finden der Motivation

Erstmal ein herzliches Dankeschön an Sophie von Chevalie für den Denkanstoß, mal etwas über Motivation zu schreiben.
Das ist in der Tat ein wunder Punkt 🙂 Wenn ich in den Stall komme, muss ich meistens Motivation für zwei mitbringen – für mich und das Pferd. Mein Projektwallach befindet sich nämlich auf der gechillten, energieeffizienten Seite des Lebens und wägt jeden Schritt sorgfältig hinsichtlich seiner unbedingten Notwendigkeit ab. Sehr gern legt er seine Nase auf den gespannten Führstrick, sozusagen als Kopfstütze (alternativ auch der Rücken der Hufpflegerin) und lässt sich von der Koppel ziehen.
Parkt man ihn im Vorraum der Halle oder in der Halle, wird man ihn genau an der gleichen Stelle wieder finden. Häufig ist es auch zu anstrengend, das Gewicht zu verlagern, um ein Bein anwinkeln zu können. Verständlicherweise. Parkt man ihn draußen, schafft er es immerhin bis zum nächsten Grasfeld. Bei soviel Elan denkt man unweigerlich an fliegende Galoppwechsel und wilde Wettrennen im Wald.

Motivation, Pferde motivieren, Pause
Wir chillen. Alles andere wäre auch zu anstrengend.
Foto: Nadja

Es mag unwahrscheinlich klingen, aber dieses Pferd ist tatsächlich motivierbar (und nicht nur wenn er auf der falschen Seite des Zauns seiner Herde hinterher galoppiert). Hier verweise ich ganz dreist auf Pat Parelli und seine Strategien für den LBI (den left brain introvert. Also jene Pferde, die sich nicht gern bewegen, aber selbstbewusst und clever sind). In der Prä-Parelli-Zeit habe ich den Wallach tatsächlich mehr von der Koppel getragen als geholt, ihn beim Reiten nicht voran bekommen und mit angelegten Ohren und schlagendem Schweif gekämpft. Lang ist‘s her.
Wie immer war nicht das Pferd das Problem, sondern wir selbst. Wir wollen zu viel zu schnell, sind dabei derb, schlecht im Timing und geben dem Pferd zudem keinerlei Veranlassung, warum es kooperieren sollte. Ich nehme also nicht die Zügel an, treibe ihn ans Gebiss, setze mich durch und reite eine Dreiviertelstunde eine Lektion nach der anderen, bis uns beiden der Schweiß im Gesicht bzw. am Hals steht. Ich würde dann absteigen mit dem Wissen, spätestens am Abend Nackenschmerzen zu haben und vom Pferd am Folgetag auf der Koppel in erster Linie die Kehrseite zu sehen.

Wie motiviere ich also ein unmotiviertes Pferd? Eine Anleitung in 5 Schritten:

  1. Ich frage zuerst freundlich an, und gebe ihm Zeit zu denken und zu reagieren. Passiert nichts, werde ich deutlicher. Beim nächsten Mal bin ich wieder die personifizierte Freundlichkeit und Geduld (auch wenn der Teufel auf meiner linken Schulter wild auf die Peitsche zeigt).
  2. Ich reduziere meine Hilfen so weit wie möglich. Das erfordert mehr Aufmerksamkeit von ihm, um mich zu verstehen. Irgendwann arbeitet man dann mit Intention, Fokus und Körperspannung und weniger mit Gesten.
  3. Für jede minimale Anstrengung – wie sagenhafte zwei Trabschritte – kriegt er anfangs sofort Pause. Ich lobe ihn nicht laut, ich streichle ihn nicht übermäßig, ich lasse ihn in Ruhe. Damit er eine Chillpause einlegen kann (und sich nicht verausgabt).
  4. Wenn er ausführt, was er soll, lasse ich ihn ebenfalls in Frieden. Kein „klack klack“, kein Hinterhergewedel mit der Peitsche, keine übermäßige Körperspannung und kein Blickkontakt.
  5. Ich nehme seine Attitüde mit Humor (alles andere würde in Aggression umschlagen, und das bringt nix) und nicht persönlich.

Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, bis ich das Schweifschlagen und die angelegten Ohren beim Reiten weg hatte (ab und an kommentiert er noch so, aber deutlich seltener). Auch wenn ich mich bemüht habe, kamen meine Hilfen noch zu überfallartig oder zum falschen Zeitpunkt der Fußfolge. Dressurreiter jetzt bitte weglesen: Außerdem reite ich ihn nahezu ausschließlich über meine Körpermitte – sowohl was Richtung als auch Tempo angeht. Seitdem ich so angaloppiere, bleibt der Schweif ruhig. Meine Beine setze ich nur ein, falls er doch mal einen stärkeren Hinweis braucht, zum Verwahren oder für Impulse zum seitwärts Verschieben. Seitdem ich nicht mehr jeden Schritt heraustreibe (und ihm damit ständig den Befehl gebe, etwas zu tun, was er bereits tut), geht er viel freier und williger vorwärts.

Es motiviert mich natürlich ungemein, ein Pferd, das das Label „faul“ auf der Stirn trägt, ohne Gerte und Sporen zu reiten und dennoch ein ordentliches Vorwärts zu bekommen. Und falls ich dennoch mal Opfer seiner „Bist du sicher? Die Koppel ist doch auch schön. Willst du nicht wieder gehen, aber mir vorher noch eine Schüssel Mash bringen?“-Aura werde, schaue ich in ein Buch oder eine meiner heißgeliebten 7-Clinics-DVDs. Oder ich erfreue mich an zwei anderen Charakteren auf der Koppel, die ich regelmäßig bespaße und die dennoch (oder deswegen?) meist arbeitswilig und aufgeschlossen angeschossen kommen.
Was auch immer wieder einen Arbeitslustschub auslöst, sind Seminare und Kurse (von Leuten, die ich gut finde. Ich gehe auch auf solche von Leuten, die ich nicht gut finde. Um zu lernen, wie ich es nicht machen will). Da komme ich so voller Ideen und neuer Ansätze zurück, dass ich danach sofort in den Stall und loslegen könnte.

Wie ist‘s um eure Motivation bestellt? Habt ihr auch solche Charaktere im Stall, die ihre Energiebilanz stets vor Augen haben?

Ein Video, das die oben erwähnten Ansätze in Teilen zeigt, gibt es hier.

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4 Kommentare

  1. Vielen Dank, dass Du meinen Vorschlag aufgegriffen hast! Hat mich sehr gefreut darüber zu lesen. Gewünscht habe ich mir das Thema Motivation nicht wegen Saudi, der zum LBI auch ziemlich viel LBE dazu bekommen hat, sondern wegen meinem ehemaligen "Projektpferd" Diego. Diego ist auch Energiesparer und hat uns auch schonmal begrüßt indem er uns den Hintern zudrehen und in die andere Richtung ging (wohlgemerkt immer gerade so, dass er schneller war als wir, aber nicht schneller als nötig). 😉 Da hatte ich also auch immer das Motivationsproblem. Die schlimmsten Stunden hatten wir, wenn wir z.B. im Unterricht endlose Wiederholungen machen mussten. Das kann man mit so einem Pferd nicht machen, denn dann verliert er jede Motivation. Für Diego ist der Schlüssel zur Motivation 1. Belohnung, 2. Höflichkeit und 3. Abwechslung. Was man von ihm möchte, das muss man ihm als lohnend verkaufen. Endlose Wiederholungen kann man nicht als sinnvoll verkaufen und wenn er etwas gut gemacht hat, dann muss sich das auch auszahlen. So waren dann auch Galopp oder Seitengänge kein Thema mehr. Und mit Höflichkeit meine ich genau das was Du auch geschrieben hast:Man darf sein Pferd nicht einfach überfallen. Gerade so ein Pferdetyp wird dann auch schnell bockig. Ist aber im Grunde auch nicht nötig, denn Diego ist ziemlich clever und versteht schnell. Wenn ich die Energie, die ich früher für Hilfen investiert habe stattdessen darein investiere ihn von der Wichtigkeit unseres Trainings zu überzeugen, dann sind wir beide zufrieden… 🙂

  2. Ich dachte mir schon, dass Soudi eher in die Partyecke (so nenne ich die Extrovertierten) gehört 🙂 Wiederholungen sind für Paledo auch nicht prall, das stimmt. Deswegen tue ich mich so schwer mit der Gymnastik nach Bent Branderup mit Biegung, Stellung, Schulter- und Kruppeherein bis zum Verlust der Muttersprache. Wenn ich ums Wiederholen nicht rumkomme, bekommt er als Belohnung Leckerli. Die bin ich ihm dann echt schuldig.:) Ich glaube, was ihm am wichtigsten ist, ist Fairness. Dass ich ihn nicht drängele, dass ich höflich bin und ihm die Chance lasse richtig zu reagieren. Denn eigentlich ist er kein Starrkopf, und er bemüht sich und ist gehorsam.

  3. Also mit meiner Motivation ist alles in Ordnung. Die Frau schwächelt manchmal, aber was will man von Menschen schon erwarten;) Deine Einstellung hinsichtlich langweiliger Übungen und Leckerlis finde ich ganz großartig, vielleicht lernt die Frau das auch noch 🙂

    LG
    dein Pfridolin

  4. Hi Pfridolin,
    würdest du dem Dicken ausrichten, wie gut er es hat :)? Er beschwert sich nämlich immer, dass ich ihm zu wenig zu fressen gebe – und ihn immer von der Koppel ziehe, wenn er sich gerade den Bauch füllen will.

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